Ich spielte mit Curd Jürgens um Peer Gynt

Filmproduzent Artur Brauner gibt Auskunft über seine Beziehung zum Schach

  • Lesedauer: 5 Min.
Prominentester Gast beim Simultan von Viktor Kortschnoi am Berliner Stadtrand in Fredersdorf war Filmproduzent ARTUR (»Atze«) BRAUNER. Der 88-Jährige bot dem Seniorenweltmeister lange Paroli und gab hinterher DAGOBERT KOHLMEYER gern Auskunft über seine Beziehung zum königlichen Spiel.
ND: Herr Brauner, was bedeutet Ihnen Schach?
Brauner: Es ist ein hochinteressantes Spiel mit großer Vielfalt, das niemals langweilig wird. Für mich ist es das intelligenteste Spiel auf der Welt.

Seit wann spielen Sie Schach?
Mit ungefähr vier Jahren habe ich begonnen. Mein Vater brachte es mir bei. Schon mit fünf Jahren habe ich an 22 Tischen simultan gespielt. Das war im Grand Hotel in meiner Heimatstadt Lodz. 18 Partien habe ich gewonnen, zwei wurden remis, nur zwei verlor ich.

Schach fördert Gedächtnisleistungen. Wie ist es bei Ihnen?
Ich glaube, das stimmt. Zum Beispiel kann ich sehr schnell rechnen. In meiner Glanzzeit schaffte ich es, mir 700 verschiedene Telefonnummern zu merken!

Hat Ihnen das Spiel im Krieg geholfen, die schwere Zeit zu überstehen?
Mir ist bekannt, dass Menschen in Konzentrationslagern aus Brot Figuren geformt und damit gespielt haben oder auch im Gefängnis. Ich selbst habe im Krieg kein Schach gespielt.

Stefan Zweigs Schachnovelle ist grandios verfilmt worden, mit Curd Jürgens in der Hauptrolle. Gibt es in einem Ihrer Filme eine berühmte Schachszene?
Nicht im Film, aber mit Curd Jürgens habe ich selbst einmal Schach gespielt. Das hat mich allerdings sehr viel Geld gekostet.

Wieso das?
Jürgens sollte »Peer Gynt« spielen und hatte keine rechte Lust dazu. Ich sagte zu ihm: »Lass uns eine Partie Schach spielen. Wenn ich gewinne, dann musst du die Rolle annehmen«. Als Anzahlung bekam er 50 000 DM. Das war damals, Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre eine Menge Geld.

Wie ging das Spiel aus?
Ich habe die Partie gewonnen, er sagte zu, den jungen Gynt zu spielen. Vorher musste er einen anderen Film drehen. Erst nach einem knappen Jahr kam er zurück und sah, seinem Lebenswandel entsprechend, schrecklich aus, mit dicken Tränensäcken unter den Augen. Den jungendlichen Peer Gynt konnte er nicht mehr geben.

Was passierte dann?
Nichts. Er fragte: Willst du noch, dass ich ihn spiele? Lass mich den alten Gynt spielen! Das könnte ich mit meinem Gesicht sogar sehr gut. Ich musste ihm Recht geben und habe das Geld nie wieder gesehen. Das Projekt fiel ins Wasser, ich war um 50 000 Mark ärmer.

Ist dieser Film so ein Traum von Ihnen?
Bis heute! Nach vielen Jahren bin ich jetzt dabei, ihn zu realisieren. Der Regisseur Istvan Szabo (»Mephisto« - d. A.) ist morgen bei mir zum Mittagessen. Wir reden dann darüber, wie und wann wir ihn machen.

Könnten Sie sich vorstellen, das Leben von Viktor Kortschnoi zu verfilmen?
Das wäre vielleicht interessant. Ich kenne Herrn Kortschnois Biografie nicht so genau, aber weiß natürlich, dass er in den 70er Jahren nach einem Turnier im Westen geblieben ist und nicht mehr in die Sowjetunion zurückkehrte.

Der Mann spielte in Fredersdorf über fünf Stunden ohne Pause. Er hat noch sehr viel Energie, genau wie Sie!
Ja, aber er sieht sehr alt und verbraucht aus. Das Leben als Schachprofi muss furchtbar anstrengend sein.

Hilft Ihnen Schach im Geschäftsleben?
Weniger, wie die Episode mit Curd Jürgens zeigt. Ich betrachte es nur als Hobby. Eigentlich spiele ich nur ein- bis zweimal im Jahr. Mehr Zeit habe ich nicht. Aber zwischen Weihnachten und Neujahr gönne ich mir ein paar freie Tage. Ich habe zwei menschliche Gegner, mit einem Computer spiele ich nicht.

Schach erhält jung und den Kopf frisch. Es gibt keinen Großmeister, der Alzheimer hat
Das glaube ich Ihnen. Wenn man den Kopf immer gebraucht, werden die Gehirnzellen viel mehr aktiviert. Sie bleiben aber nur frisch, wenn man permanent arbeitet. Deshalb bemitleide ich diejenigen, die so früh in Pension gehen und nicht mehr aktiv sind.

Arbeiten Sie heute immer noch 12 Stunden am Tag?
Mehr! Ich arbeite 16 bis 18 Stunden, und zwar jeden Tag, also sieben Mal in der Woche. Fragen Sie meine Sekretärinnen. Ich mache auch keinen Urlaub.

Warum das denn?
Weil ich Angst habe, wenn ich zurückkomme, erwartet mich ein solcher Stoß auf dem Schreibtisch, dass ich einen Nervenzusammenbruch bekomme. Deshalb fahre ich nicht weg. Ich möchte dieses Workoholic-Leben weiterführen und bin damit zufrieden.

Sie produzieren nicht nur Filme, sondern besitzen auch Immobilien, darunter Hotels. Würden Sie in einem Ihrer Häuser mal ein Schachturnier durchführen?
Das müsste man überlegen. Wenn das Hotel frei ist, sehr gern.

Spielen Ihre Kinder Schach?
Nein, sie kennen die Züge, aber spielen nicht gut. Man muss damit schon sehr früh beginnen. Zwei meiner Enkel, die Zwillinge von Alice, spielen auch etwas, aber sie sind keine Konkurrenz für mich.

Was ist Ihre Lebensmaxime?
Immer tätig sein, immer weitergehen. Wenn der liebe Gott es erlaubt, würde ich gern mit 100 Jahren noch arbeiten. Mein Motto lautet: »Man soll mit dem Anfangen nicht aufhören und mit dem Aufhören nicht anfangen«.
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal