Portugal streitet über Abtreibung

Referendum am Sonntag könnte das Ende der Kriminalisierung bringen

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch gelten in Portugal restriktive Regeln für einen Schwangerschaftsabbruch, doch das soll sich an diesem Sonntag ändern.
Eine Abtreibung ist in Portugal bisher nur dann legal möglich, wenn die Frau vergewaltigt wurde, ihre Gesundheit in Gefahr ist oder wenn eine Missbildung des Fötus vorliegt. Die sozialistische Regierung will die Abtreibung nun freigeben und fragt am Sonntag per Referendum, ob die Bevölkerung mit der Entkriminalisierung des freiwilligen Abbruchs in den ersten zehn Wochen einverstanden ist. Setzt sich das »Sim« (Ja) durch, würde sich Portugal in die große Mehrheit der europäischen Länder einreihen, in denen der Abbruch liberal gehandhabt wird. Es wäre sogar eine freizügigere Regelung als in Finnland, Island, Großbritannien, Luxemburg, Ungarn und Zypern. Doch ein Sieg der Befürworter ist nicht sicher, auch wenn die Meinungsforscher ihn sehen. Nach Angaben in der neuesten Umfrage, die für die Zeitung »Correio da Manhã« erstellt wurde, wollen 52,6 Prozent mit Ja stimmen, bei 41,5 Prozent Ablehnung. 5,9 Prozent zeigten sich noch unentschlossen. Schon 45 Prozent der Wähler erklärten, nicht an dem Votum teilnehmen zu wollen. Doch die Zahl der Befürworter fällt stetig. Noch vor einer Woche wollten 54 Prozent mit Ja stimmen und im Januar waren es sogar 61. Die Befürworter warnen jedoch, denn ihnen steckt noch das Referendum von 1998 in den Knochen. Damals hatten die Umfragen einen deutlichen Sieg der Abtreibungsbefürworter vorhergesagt. Das führte bei diesen zur Demobilisierung, während die Gegner der Freigabe aus dem Lager um die einflussreiche katholische Kirche ihre Anhänger mobilisieren konnte. So nahmen nur 31,8 Prozent der Wahlberechtigten teil, und knapp 51 Prozent stimmten mit Nein. Neben einer Mehrheit am Sonntag muss die Beteiligung zudem bei mindestens 50 Prozent liegen, damit das Ergebnis bindend ist. Während in Portugal jährlich nur 100 Abtreibungen legal durchgeführt werden, treiben mindestens 20 000 Frauen illegal ab, erklärt Duarte Vilar von der Vereinigung für Familienplanung. Dies würde oft unter verheerenden hygienischen Bedingungen geschehen, und oft fielen Frauen Pfuschern in die Hände, die ihnen zwischen 300 und 1000 Euro abnehmen. 5000 Frauen müssen jährlich behandelt werden, die nach illegalen Abbrüchen an Komplikationen leiden. Mehr als 100 Frauen sind daran in den letzten 20 Jahren gestorben. Das nennt Regierungschef José Socrátes eine »nationale Schande«. Er will auch die Entkriminalisierung der Frauen erreichen, »damit sie nicht mehr von der Polizei und der Justiz verfolgt werden«. Denn noch immer kommt es zu Prozessen. Erst 2006 Jahr verurteilte ein Berufungsgericht drei Frauen, einen Arzt und eine Krankenschwester zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten und dreieinhalb Jahren. Restriktiver als in Portugal wird in Europa die Abtreibung nur in Irland, Polen und in Malta gehandhabt. Das Gesetz in Spanien ist zwar ähnlich dem portugiesischen, doch die Sozialisten hatten 1985 den dehnbaren Passus eingefügt, wonach ein Abbruch nach einer Beratung auch dann möglich ist, wenn die physische oder psychische Gesundheit der Mutter gefährdet ist. Deshalb suchen viele Portugiesinnen das Nachbarland für den Eingriff auf.
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