Altersteilzeit verboten

Wenn Richter Recht nach ihrer Weltsicht auslegen

  • Claus Dümde
  • Lesedauer: 1 Min.
Die Bundesrepublik Deutschland gilt als Rechtsstaat. Und trotz etlicher Defizite spricht alles dafür. Manchmal können einem freilich Zweifel kommen, wenn man von Urteilen wie dem folgenden hört und sie dann liest :
Ein zu Unterhaltszahlungen Verpflichteter »ist im Grundsatz nicht berechtigt, seine Leistungsfähigkeit durch Inanspruchnahme der lediglich aus arbeitsmarktpolitischen Gründen eingeführten Altersteilzeit einzuschränken«. Das gab der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Saarbrücken einem 62-Jährigen, der seit fast sieben Jahren von seiner fünf Jahre jüngeren Ehefrau getrennt lebt, gleich im Leitsatz seines Urteils (2 UF 7/06) schriftlich. Nein, zu Zwangsarbeit - in Vollzeit - wurde er nicht verurteilt. Das verbietet das Grundgesetz. Aber zu Unterhalt in einer Höhe, die auf dasselbe hinausläuft: Bei 1433,51 Euro Monatseinkünften soll er 991 Euro an die Frau zahlen. Nicht etwa, weil sie krank oder hilfsbedürftig ist, oder Kinder betreuen muss. Die Richter/innen gingen sogar davon aus, dass die gelernte Sekretärin selbst 400 Euro verdienen könnte, obwohl sie seit 1979 nicht mehr gearbeitet hat. Doch ansonsten billigten sie der Frau Unterhaltsansprüche wie zu der Zeit zu, als ihr Mann noch 2800 Euro netto verdiente. Dass er heute viel weniger hat, gelte nicht, »wenn die Einkommenseinbuße auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit beruht«. Altersteilzeit zählen sie dazu, wenn der Betreffende nicht nachweisen kann, dass er sonst arbeitslos geworden wäre. Rechtsstaat? Ja, aber einer, in dem Richter unabhängig Recht nach ihrer Weltsicht auslegen.
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