nd-aktuell.de / 25.04.2017 / Politik / Seite 20

Kroatiens Dornenpfad nach Schengen

Reisende brauchen an der Grenze zu Slowenien viel Geduld und gute Nerven

Elke Windisch, Dubrovnik

Die letzte Banane wird in vier Stücke zerlegt. Familie Schalthofer steckt schon drei Stunden im Stau vor der Grenze zwischen Slowenien und Kroatien. So hatten sich die Münchner den Beginn ihres Kurzurlaubs an der Adria nicht vorgestellt. Gewöhnlich brauchen sie für die 550 km nach Rovinj sechs Stunden. Jetzt sind es schon neun und es ist noch weit bis zum Schilderhäuschen. Seit 2013 ist Kroatien EU-Mitglied, gehört aber, anders als Slowenien, nicht zum Schengen-Raum, der das Reisen in Europa so einfach macht wie eine Fahrt ins Nachbardorf.

Flugreisende sind, so sie umsteigen müssen, kaum besser dran als die Blechschachtelkapitäne. Zumindest beim Rückflug sind Kondition und Nerven gefragt. An den Drehkreuzen Wien, München oder Frankfurt lauert auf Kroatien-Urlauber neben der Passkontrolle bei der Wiedereinreise nach Schengen-Land ein erneuter Security-Check. Bei einer Umsteigezeit von 40 Minuten und den nicht ganz kurzen Wegen zwischen den Terminals sollte man den Ernstfall auf dem Laufband trainieren: Mit Gewichten und einer Geschwindigkeit von mindestens 10 km/h. Wer schlapp macht, bleibt am Boden. Ausbaden muss es die Tourismusbranche - Kroatiens wichtigster Wirtschaftszweig. Der Beitritt zum Schengen-Raum gehört daher zu den wichtigsten Zielen der Adria-Republik. Die Vorbereitungen an der über 2300 km langen Grenze zu Serbien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina laufen auf Hochtouren.

Beim Scannen der Personaldokumente erfolge automatisch ein Abgleich mit zentralen Datenbanken, um festzustellen, ob Einreisende aus den drei Nicht-EU-Staaten in Kroatien mit dem Strafrecht in Konflikt kamen, sagt eine Beamtin im süddalmatinischen Debeli brijeg an der Grenze zu Montenegro. Spezialkameras würden beim Scannen der Zulassung erkennen, ob ein Fahrzeug nicht versichert oder als gestohlen gemeldet ist. Ein Gerät analysiert die Zusammensetzung der Luft in Lastern. Ein hoher Anteil von Kohlendioxid, das Menschen beim Atmen ausstoßen, deutet auf blinde Passagiere im Frachtraum hin.

Im Unterholz versteckte Radare und Infrarotsensoren, die auf »bewegte Objekte« reagieren, melden illegale Grenzübertritte. Werden die Patrouillen fündig, endet die Reise in Auffangzentren an Grenzübergängen. Sie sind nach EU-Standards ausgestattet. Das in Trilj bei Split hat auf dem Dach sogar ein Volleyballfeld.

Für den Schengen-Beitritt hat Kroatien von Brüssel bereits Hilfen von 120 Millionen Euro abgegriffen. Ein Termin vor 2018 sei aber nicht real, fürchtet man in Zagreb. Selbst wenn die Evaluierung - das Expertengutachten, ob die Standards erfüllt sind - positiv ausfällt: der Beitritt kann nur durch einstimmigen Beschluss der Europäischen Rates - dem Gremium der EU-Staats- oder Regierungschefs - erfolgen. Und die würden den Ausgang der Wahlen in Frankreich und Deutschland abwarten.

Sperrfeuer droht zudem aus Slowenien. Grund ist ein auch von Kroatien beanspruchter Quadratkilometer Wasser in der Bucht von Piran, mit dem Slowenien sich Zugang zu internationalen Gewässern verschaffen will. Der Streit beschäftigt ein internationales Schiedsgericht seit 2009. Zu Beginn der Touristensaison eskalierte er erneut. Ein schweres Handicap für Kroatiens Schengen-Beitritt ist auch der Neum-Korridor: Ein 20 km breites Stück Bosnien und damit Nicht-EU-Gebiet zwischen Mittel- und Süddalmatien. Mit Grenz- und Zollkontrollen auf beiden Seiten für Güter- und Personenverkehr. Touristen, die von Split nach Dubrovnik wollen, überlegen sich zweimal, ob sie sich das antun. Spediteure auch. Besserung ist nicht in Sicht. Die 2007 begonnenen Vorbereitungen für den Bau einer Brücke von der Halbinsel Pelješac über die Adria, die die Exklave Dubrovnik mit dem Mutterland verbinden sollte, wurden 2010 gestoppt, Taucher waren selbst in 150 Meter Tiefe nur auf Schlamm statt auf felsigen Untergrund gestoßen. Die Kosten hätten den kroatischen Haushalt gesprengt.