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Miss Marple zeigt ein süßes Lächeln

»Mord im Pfarrhaus« von Agatha Christie im Berliner Kriminal Theater unter Regie von Ulrich Voß

  • Almut Schröter
  • Lesedauer: 3 Min.
Rentnerin war Miss Marple schon, als Agatha Christie sie 1930 als gebildete Dame in die Welt setzte. In »Mord im Pfarrhaus« tauchte sie zum ersten Mal auf - als neugierige Schreckschraube, die vom Gartenzaun aus mit dem Fernglas das Dorfleben von St. Mary Mead im Auge behielt. Der Roman wurde in England dramatisiert. Die deutsche Bearbeitung von Peter Goldbaum erfuhr nun eine weitere Brechung durch Ulrich Voß fürs Berliner Kriminal Theater. Seine Miss Marple singt zwar Kirchenlieder, zeigt sich jedoch etwas dämonisch und macht kein Hehl daraus, dass Abgründe der menschlichen Seele sie faszinieren. Mit süßem Lächeln zieht die per Kostüm aufgepolsterte Anette Felber als Miss Marple finstere Schlüsse. Und das macht sie gut.
Christlich brav geben sich die Dorfbewohner, wenn sie nicht gerade den wohlhabenden Colonel Protheroe verfluchen. Sogar der deprimierte Pfarrer Leonhard Clement (Karl Heinz Barthelmeus) lässt sich dazu hinreißen, was ihn aber nicht mehr als andere in Verdacht bringt, als der Colonel wenig später in der halb renovierten Kirchenimmobilie gemeuchelt wird. Dort wollte er zum Schwund von Gemeindegeldern den Pfarrer befragen. Regisseur Voß zeigt familiäre Atmosphäre im Pfarrhaus, verzichtet auf mehrere Dorfbewohner des Romans und auf die muntere Pfarrersfrau, um das Stück in zwei Stunden zu packen. Dafür lässt er die von Renate Pick warmherzig gespielte Haushälterin Mary Jenkins hautnah an den Geistlichen rücken. Vom Pfarrersneffen Dennis Clement (Dominik Bliefert) wird das akzeptiert. Der hat sowieso nur Augen für die hormongeschüttelte Colonelstochter Lettice. Sara Wehrs spielt engagiert das plappernd bis markerschütternd schreiende unglückliche Wesen, das schon im Roman neben dem eigenartigen Vikar Ronny Hawes eine bizarre Rolle spielt. Mit Arne Lehmann überhöht Ulrich Voß noch die Exaltiertheit des Glockenläuters, sorgt für sichere Lacher und gibt auf dieser Strecke leisen Humor auf. Dann wird's eben leicht poltrig mit dem eigentlich nicht mehr im Dienst befindlichen Inspektor Slack (Peter Groeger) und etwas weinerlich mit der scheinbar betroffenen Colonelswitwe Anne Protheroe, für die Jutta Schröder dauernd das Kostüm wechseln muss. Die Dame will Fotograf Lawrence Redding (Thomas Linke) gefallen, hinter dem wohl die gesamte weibliche Dorfwelt her ist. Er ist zunächst der Hauptverdächtige. Wie der Untertitel »Miss Marple ermittelt« verspricht, kommt in dem von Manfred Bitterlich geschaffenen Bühnenbild, das bei der Premiere noch Stolperfallen für die Schauspieler barg, alles heraus. Miss Marple kann mit Unschuldsmiene weiterstricken. »Geh aus mein Herz, und suche Freud...«, singt sie leis'.
Da kam er also am Ende noch, der geliebte schwarze Humor zur guten Unterhaltung, die das Publikum durchaus mit kräftigerem Applaus hätte quittieren können, verflucht nochmal. Dabei muss es durchaus nicht immer komisch zugehen im Berliner Kriminal Theater, meint Wolfgang Rumpf, einer der beiden Theaterchefs. Er will im Oktober einen Thriller von Henning Mankell inszenieren - »Vor dem Frost«.

Heute, 16. u. 25.2., 20 Uhr, Berliner Kriminal Theater, Palisadenstr. 48, Friedrichshain, Karten-Tel.: 47 99 74 88, Programm unter www.kriminaltheater.de
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