Braunbär Brunos Brüder sorgen für Proteste

Slowenien will erneut über 100 Tiere zum Abschuss freigeben

  • Veronika Wengert, Zagreb
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.

Slowenien will in diesem Jahr 106 Braunbären, 15 Wölfe und einen Luchs zum Abschuss freigeben, noch im Februar soll eine endgültige Entscheidung fallen. Insbesondere die hohe Quote bei den Bären - gemessen an einer Gesamtpopulation von 400 bis 700 Petzen im Land - sorgt für internationale Proteste.

Die Bären im ehemaligen Jugoslawien hatten nur einen natürlichen Feind. Und das war Ex-Staatschef Tito. So lautet ein häufig erzählter Scherz auf Kosten des verstorbenen Politikers, der sich gerne mit seinen selbst erlegten Trophäen ablichten ließ. Inzwischen sind andere Interessenten auf der Pirsch. Und das Umweltministerium in Ljubljana rechtfertigt sich mit Expertenempfehlungen, die nach Angaben einer Ministeriumssprecherin den Abschuss von 80 bis 106 Tieren empfohlen hätten. Der Expertenkommission gehören Vertreter von Ministerien, des staatlichen Forstinstituts, von Hochschulen, aber auch Jäger, Viehzüchter aus besonders betroffenen Gemeinden an. Die slowenische Artenschutz-Organisation »Tierrechte« kritisiert, dass das Gremium mehrheitlich mit Leuten besetzt sei, die Interesse an möglichst hohen Abschussquoten hätten. Überdies wird die Quote auf der Basis von wissenschaftlichen Untersuchungen, deren Methode in Slowenien allerdings nicht wirklich transparent ist, bemängelt der WWF Österreich, zu dessen Schwerpunkten das Bärenprogramm im Alpen-Donau-Raum gehört. Slowenien war in den vergangenen Jahren immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geraten: Wurden in den 1990er Jahren noch durchschnittlich 50 Braunbären jährlich zur Jagd freigegeben, so verdoppelte Ljubljana diese Zahl vor dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union kurzerhand. Prompt gab es Proteste aus Brüssel. Daraufhin senkte Slowenien die Quote und führte ein europäisches Bärenschutzprogramm ein. Doch seither lässt Ljubljana Jahr für Jahr mehr Bären abschießen - bis im Vorjahr ein trauriger Rekord von 126 getöteten Bären erzielt wurde. Davon gehen allerdings über 20 Tiere auf das Konto von Autos oder Zügen. Rechnet man solche Verkehrsunfälle hinzu, wird sich 2007 die Zahl der Bären in Sloweniens Wäldern um 130 verringern. Während die Regierung ihre so Pläne mit der Regulierung des natürlichen Gleichgewichts begründet spricht die Artenschutzorganisation Pro Wildlife von einer »systematischen Ausrottungsaktion« der slowenischen Bären. Das EU-Recht schütze die europäischen Braunbären streng, ein Abschuss sei nur zur Abwehr individueller Gefahrensituationen erlaubt, heißt es in einer Pressemitteilung. Slowenien habe sich in den vergangenen Jahren allerdings über die klaren Schutzvorschriften der EU hinweggesetzt. Die slowenischen Tiere seien zudem zur Wiedereinbürgerung von Braunbären in Mitteleuropa existenziell, heißt es weiter. Dass das Problem in den letzten Jahren an politischer Brisanz gewonnen hat, lässt sich auf ein »künstlich geschaffenes Problem« zurückführen, gibt Artenschutz-Experte Gerald Dick vom WWF Österreich zu bedenken. Schafzüchter hätten sich infolge der staatlichen Subventionen, die Ljubljana vor einigen Jahren zur Förderung der Weidewirtschaft eingeführt hat, auch in jenen südslowenischen Regionen niedergelassen, die traditionell als zentrales Schutzgebiet von Bären gelten. Den Tieren könne man keine Vorwürfe machen, wenn sie Schafe reißen, die ihnen »quasi auf dem Silbertablett präsentiert werden«, sagt Dick. Der WWF hofft unterdessen, Slowenien noch beeinflussen zu können, bevor die diesjährige Quote endgültig beschlossen wird. Je geringer sie jedoch ausfällt, umso mehr Versäumnisse könnten nachgeholt, und ein gemeinsames Bären-Management mit Kroatien könne endlich vorangetrieben werden, so Dick. Die slowenischen Bären gehören einer grenzüberschreitenden Population an, die sich auch auf die Nachbarländer Kroatien und Österreich erstreckt. Wobei der WWF die österreichischen Bärenpopulation auf gerade mal 25 bis 30 Tiere schätzt. »Bären kennen keine Grenzen«, betont auch Robert Laginja, Berater des kroatischen Forstministers in Zagreb. In Kroatien sei die Population mit rund 1100 Tieren über Jahre hinweg stabil geblieben, allerdings gelten nicht die strengen EU-Vorschriften, da das Land noch kein Mitglied sei, erklärt Laginja. Gemäß einem Aktionsplan hat Zagreb im Vorjahr 70 Tiere zum Erlegen frei gegeben. Eine Quote, die allerdings nicht ausgeschöpft wurde, so Laginja. 49 Bären seien getötet, weitere 36 Tiere durch Unfälle, Erschöpfung oder fehlerhaftes Jagdverhalten umgekommen. Die Jägerverbände würden die Quoten allerdings zu 90 Prozent an Ausländer verkaufen, gibt Laginja zu bedenken. Zur gestiegenen Bärenpopulation in Kroatien, vor allem jedoch in Slowenien, hat letztlich auch der Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina in den 1990er Jahren beigetragen. Von Forstbehörde und Jägern vergessen, suchten vor allem Bären aus der Region um die westbosnische Stadt Bugojno - einem der bevorzugten Jagdgebiete Titos - Zuflucht in Slowenien, wo sie sich vor allem in der waldreichen Gegend um Kocevje niederließen. Die ersten Bären führte Slowenien 1993 nach Österreich aus, drei Jahre später folgten Frankreich und Italien. Was Tierschützer freute, erregte allerdings die Gemüter in der südfranzösischen Kleinstadt ...

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