Ein Schritt zurück auf Los

Die Mehrheit der Berliner WASG wird die Fusion mit der Linkspartei nicht mitgehen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Zug der Fusion, beliebt die Linkspartei-Spitze über das Bündnis mit der WASG gern zu sagen, ist nicht mehr aufzuhalten. Für unversöhnliche Kritiker des Projekts bleibt deshalb nur der Absprung. Die Mehrheit der Berliner Wahlalternative hat bei einem Parteitag am Samstag schon mal die Tür zum Notausgang aufgestoßen.
Eigentlich war es nur noch eine Frage des Wie. Würde es wieder zum demonstrativen Parteitags-Auszug der Befürworter des Zusammengehens mit der PDS kommen? Würde man später wieder über »Handgreiflichkeiten« lesen können? Würde die Berliner WASG ihrem - vor allem von den Medien gepflegten - Ruf als »Chaotentruppe« ein letztes Mal gerecht? Nun, es gab laute Zwischenrufe und auch zornig ausgestreckte Mittelfinger. Aber wirklich aufregend war das Delegiertentreffen im Kreuzberger Bürgersaal nicht. Der Stellungskrieg in den innerparteilichen Schützengräben macht auf Dauer offenbar keinen Spaß. An einen politischen Ausweg aus der verfahrenen Situation glaubte ohnehin niemand mehr. Der Bruch, der die knapp 800 eingetragenen Mitglieder in eine fusionsbereite Minderheit und eine PDS-kritische Mehrheit trennt, ist schon lange unüberbrückbar. An den Positionen hat sich seit dem Streit um den Wahlantritt zu den Abgeordnetenhauswahlen im letzten Jahr wenig verändert: Während eine Mehrheit aus Protest gegen die »unsoziale Politik« des rot-roten Senats keine Fusion mit der PDS will, so sich diese nicht deutlich von ihrer bisherigen Linie vor allem im Berliner Senat distanzieren sollte, drängen die anderen auf Beteiligung am Parteibildungsprozess, um dann in der neuen Linkspartei für entsprechende Kursänderungen zu kämpfen. Und so hörten sich denn auch die Reden an: Klaus-Dieter Heiser vom »Rixdorfer Kreis« warb für die Einheit der Linken und warnte: »Ein separater Regionalverein führt zu politischer Bedeutungslosigkeit.« Michael Prütz vom WASG-Landesvorstand konterte: Es werde »eine Trennung geben, das ist unvermeidlich - aber auch nicht schlimm«. Der rot-rote Senat, meint Prütz, habe seine Politik nach den Abgeordnetenhauswahlen im Herbst sogar noch einmal verschärft: Deregulierung beim Ladenschluss, nochmalige Wohnungsverkäufe und die Privatisierung der Sparkasse. Dass Oskar Lafontaine den Landesbank-Deal zwar als »Lackmustest« für die neue Linke bezeichnet hat, gegenüber der PDS in Berlin nach Ansicht von WASG-Frontfrau Lucy Redler aber zu wenig Druck macht, hat den Fusionsbefürwortern in der Berliner Wahlalternative nicht gerade in die Hände gespielt. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass der WASG-Bundesvorstand kurz vor dem Landesparteitag die fusionsbereiten Mitglieder in der Hauptstadt per Post aufforderte, noch im Februar eine Parallelvertretung zum Landesvorstand zu bilden, die dann die brach liegenden Verhandlungen mit der PDS in Berlin wieder aufnehmen soll. Solche Art der »Einmischung« kommt im gallischen Dorf der Wahlalternative nicht sehr gut an. Am Mittag unternahm Ruben Lehnert noch einen letzten Versuch. Der Streit um die Solo-Kandidatur sei Geschichte, sagt der Fusionsfreund. Außerdem vertrete man doch in der Mehrzahl gemeinsame Ziele, etwa in der Antikriegspolitik und was globale Gerechtigkeit angehe. Doch auch das letzte Plädoyer für den »gemeinsamen Kampf um linke Mehrheiten in der neuen Linken« verhallt in Buhrufen und Gelächter. Neben der neuen Linken sei »kein Platz für eine weitere linke Partei«, ruft noch jemand. Eine Mehrheit im Kreuzberger Bürgersaal sieht das anders. Um 14.40 Uhr steht fest, was alle erwartet hatten: Die Berliner WASG bereitet ihr eigenes Ende vor. »Die Fortsetzung des Sozialabbaus in Berlin durch den rot-roten Senat bedeutet, dass wir uns nach einer erfolgten bundesweiten Fusion eigenständig organisieren müssen.« »Gut, dass es jetzt eine Klärung gegeben hat«, gewinnt Christine Buchholz dem Ausgang des Landesparteitags am Samstag noch etwas Positives ab. »Lieber ein Ende mit Schrecken«, sagt die Frau aus dem WASG-Bundesvorstand, »als ein Schrecken ohne Ende«. 62 stimmen für den Leitantrag des Landesvorstands, 44 dagegen. Kommissionen sollen den Weg dahin nun ausloten, im Mai soll ein Parteitag den Ausstieg beschließen. Dass er kommt, darüber gibt es wenig Zweifel. Es ist für manche auch ein Schritt zurück auf Los: Mit einer Kampagne will sich die Regional-WASG jetzt für ein Volksbegehren gegen die Privatisierung der Sparkasse stark machen. Aus einem ganz ähnlichen Projekt waren viele Gründer der Berliner WASG einst gekommen. Damals, ab Sommer 2003, sammelte man Unterschriften gegen den »Berliner Bankenskandal« - erfolglos.
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