Maduro beruft Verfassunggebende Versammlung ein

Venezuelas Präsident trifft mit seinem Vorstoß auf Widerstand der das Parlament beherrschenden Opposition

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro sucht einen Ausweg aus der Krise. Am Montag verfügte er die Bildung einer Verfassunggebenden Versammlung. Maduro berief sich dabei auf Artikel 348 der gegenwärtigen Verfassung, der dem Präsidenten die Möglichkeit dazu gibt. Zugleich benannte er eine zehnköpfige Vorbereitungskommission unter dem Vorsitz von Bildungsminister Elías Jaua.

»Die neue Verfassung wird eine Verfassung der Bürger, des Volkes und der Arbeiter sein, eine chavistische Verfassung. Keine der Parteien und Eliten«, so Maduro. Als deren wichtigste Aufgabe nannte er die Wiedergewinnung des Friedens. Vor den laufenden Kameras und im Beisein der chavistischen Regierungs- und Führungsriege wirkte Maduros Auftritt zuweilen wie eine Abschiedsrede: verunsichert, ständig Schweißperlen abwischend und teils den Tränen nah.

Tatsächlich wäre es für Maduro der Abgang ohne Rücktritt und für den Chavismus ein Weg, weiter an der Regierung zu bleiben, ohne sich den von der Opposition geforderten allgemeinen Wahlen stellen zu müssen. Denn dass alle Gewalten an Macht gegenüber der Verfassunggebenden Versammlung verlieren, sieht Artikel 349 der Verfassung vor: »Die bestehenden Gewalten dürfen in keiner Weise die Entscheidungen der Verfassunggebenden Versammlung verhindern.«

In seiner kurzen Rede sprach der designierte Kommissionsvorsitzende Jaua von einem historischen Tag. Der frühere Vizepräsident und Außenminister von Hugo Chávez wurde schon einmal als Nachfolgekandidat des ewigen Kommandanten gehandelt, bevor dieser Maduro zu seinem Nachfolger bestimmte. Er werde alle politischen Parteien zur Meinungsbildung einladen, die Kommission sei offen für weitere Mitglieder und soll die Wahl und die Themen für die Verfassunggebende Versammlung vorbereiten, so Jaua.

Allerdings sind in der Kommission mit der First Lady Cilia Flores und Außenministerin Delcy Rodríguez zwei für die Opposition schwer zu akzeptierende Chavistas vertreten. Und Jaua ließ zudem keinen Zweifel über das Motiv der Einberufung aufkommen: »Gegen den bewaffneten Kampf, den die Opposition mit Hilfe des nordamerikanischen Imperialismus führt, ist es gut, eine Verfassunggebende Versammlung des Friedens zu setzen.« Zugleich machte er deutlich, wer auf alle Fälle in diese Versammlung einziehen werde. Ein Teil der Mitglieder solle aus den kommunalen Räten, sowie aus den Arbeiter- und indigenen Komitees stammen. Wie viele Mitglieder die Verfassunggebende Versammlung haben wird, die Rede ist von 500, und wie diese genau gewählt werden sollen, ist jedoch noch unklar.

Von der Opposition kam die prompte Ablehnung. Freddy Guevara, Parlamentarier und führendes Mitglied der Partei Voluntad Popular, nannte Maduros Vorgehen eine Verzweiflungstat und einen Betrug zugleich. »Mit der Verfassunggebenden Versammlung will der Präsident die Republik auflösen und eine auf den Chavismus maßgeschneiderte Verfassung erwirken.« Dies beweise allein schon, wie die Mitglieder dieser Versammlung ausgewählt werden sollen. Diese werde weder allgemein noch geheim gewählt werden, sondern aus den Räten und Komitees hervorgehen, die der Chavismus kontrolliert. Guevara kündigte die Fortsetzung der Straßenproteste an.

Zugleich machte Guevara aber klar, dass eine Verfassunggebende Versammlung durchaus einen Ausweg aus der Krise biete, allerdings nur, wenn deren Mitglieder tatsächlich in allgemeinen, direkten und geheimen Wahlen bestimmt werden können. Genau dies wurde von der Opposition im Januar 2016 als eine Möglichkeit angesehen, um Maduro aus dem Amt zu holen, als sie im neuen Parlament über eine Zwei-Drittel-Mehrheit verfügte. Nach Artikel 348 der Verfassung kann auch die Nationalversammlung eine Verfassunggebende Versammlung einberufen, wenn mindestens zwei Drittel der Abgeordneten dem zustimmen.

Hugo Chávez hatte 1998 seine Wahl zum Präsidenten auch wegen seines Versprechens einer neuen Verfassung gewonnen. Zunächst war im April 1999 in einem Referendum die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung beschlossen worden, deren 131 Mitglieder im Juli in geheimen Wahlen bestimmt wurden. Der ausgearbeitete Verfassungsentwurf war im Dezember 1999 abermals durch Referendum mit über 80 Prozent der Stimmen angenommen worden. Kommentar Seite 4

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