nd-aktuell.de / 03.05.2017 / Klima und Wandel

Ecuadors bittere Bananen

Alberto Acosta über Klimaschäden durch die zweitliebste Frucht der Deutschen und Lohndumping beim größten Bananen-Exporteur der Welt

Alberto Acosta

Die Banane ist eine der meist gegessenen Früchte und in Deutschland nach dem Apfel das beliebteste Obst. Über ihren guten Geschmack lässt sich kaum streiten. Die Banane bringt stark empfehlenswerte Ernährungswerte mit. Und sie ist eine der billigsten Früchte überhaupt. Das erklärt sich mit der Fruchtbarkeit der Böden, dort wo sie angebaut wird. Aber eben auch mit der billigen Arbeitskraft in den Herkunftsländern. Dazu kommt ein massiver Einsatz von Chemikalien, der für eine gesteigerte Produktivität der Plantagen immer weiter in die Höhe gedrückt wird. Was den Klimawandel betrifft, so dürfen wir nicht vergessen, dass Landwirtschaft und Abholzung – auch als Landnutzungsänderung beschrieben – in den Ländern des globalen Südens die größte Quelle von Treibhausgasen ist. Die für den Export ausgerichteten Plantagen sind einer der wichtigsten Klimagasverursacher. Bananen-Plantagen sind Extraktivismus und verursachen somit schwerwiegende Umwelt- und Sozialprobleme in den betroffenen Gebieten.

Darum möchte ich einen Blick auf Ecuador, den größten Bananenexporteur der Erde, werfen. Die Bananen-Wirtschaft für den Export kennt man hier seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals gingen erstmals Lieferungen nach Peru und Chile. In großem Maßstab wurde die Banane ab den 1940er Jahren angepflanzt. Dann ging der Bananen-Boom los und prägte über Jahrzehnte hinweg die gesamte ecuadorianische Wirtschaft. Seit 1951 ist Ecuador der weltweit größte Exporteur von Bananen. Neben dem Erdöl-Geschäft ist die Bananenproduktion wichtigste Quelle von Devisen. Insgesamt werden rund 200.000 Hektar Land für diese wirtschaftliche Aktivität genutzt. Die ecuadorianische Regierung hat für die Steigerung der Produktion vor allem große Ländereien bevorzugt, was zur Verringerung der Anbauflächen von Kleinbauern führte. Als Antwort darauf wurde ein Förderprogramm aufgelegt, damit kleine Bananen-Produzenten die Stauden wieder anpflanzen.

Obwohl die Bananenwirtschaft für Ecuador von herausragender Bedeutung ist und tausende Arbeitsplätze schafft, gibt es immer wieder Beschwerden über Verstöße gegen die Menschen, die auf den Plantagen arbeiten. Schätzungen zufolge hat jede zweite PlantagenarbeiterIn keine Sozialversicherung. Jede Dritte verdient den Mindestlohn: 375 US-Dollar im Monat. Jede Zweite sogar weniger. Jeder Fünfte verdient mehr, weil zehn bis zwölf Stunden am Tag gearbeitet werden. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher, monatlicher Warenkorb kostet in Ecuador allerdings 708 US-Dollar. Die Armutsgrenze liegt bei 500 US-Dollar. 80 Prozent der PlantagenarbeiterInnen arbeiten mehr als acht Stunden am Tag und über 40 Stunden die Woche. Gesetzlich zustehende Rechte werden ihnen oft nicht ausgezahlt.

Zum Beispiel wissen viele nicht, wie die 15 Prozent der Arbeiteranteile am Unternehmensgewinn nach Steuern jedes Jahr berechnet werden. Die ArbeiterInnen bekommen keine Sonderzahlungen für ihre Anstrengungen. Das Urlaubsrecht wird häufig nicht gewährt. Bei Akkordschichten gibt es immer wieder Kinderarbeit, wenn die ArbeiterInnen auf ihre Familien zurückgreifen, um das Pensum zu schaffen. Durch den Pestizideinsatz wird die Gesundheit der ArbeiterInnen stark geschädigt Klagen von unfruchtbar und impotent gewordenen Männern gegen große Agrarmultis sind in Planung.

Frauen verdienen weniger als Männer und es gibt viel Diskriminierung von Frauen auf den Plantagen. Feste Verträge gibt es für die Zeit, in der die ArbeiterInnen auf einer Hazienda arbeiten, mal mündlich, mal schriftlich. Es gibt Fincas, wo nur zehn Prozent der Arbeitsverträge in schriftlicher Form abgeschlossen werden, und bei mündlichen Abmachungen gelten die gesetzlich vorgeschriebenen Vertragsbedingungen nicht. In vielen Fällen müssen die ArbeiterInnen ihr Werkzeug selbst mitbringen, Arbeitskleidung wird nicht vergeben. Gibt es eine Uniform, so wird diese vom Lohn abgezogen. Pro ArbeiterIn und Mittagessen berechnen die Firmen zwischen ein bis 1,50 US-Dollar. Kurzum: Die Arbeitsbedingungen sind erbärmlich. Obwohl Ecuadors Gesetze die ArbeiterInnen schützen, werden die Normen weder eingehalten noch deren Durchsetzung kontrolliert. Gewerkschaften werden schlechterdings verboten.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Lage der Banenen-ArbeiterInnen besorgniserregend ist. Auch nach Jahrzehnten ist Ausbeutung an der Tagesordnung. Und die Bedingungen verschlechtern sich zunehmend. Ein Thema, das mit Sicherheit keine Beachtung fand, als Ecuadors Regierung von Präsident Raphael Correa den neoliberalen Freihandelsvertrag mit der Europäischen Union unterzeichnete. Hier hat die Correa-Regierung sogar entgegen ihrer eigenen, anfangs progressiven Positionen durch jüngste Arbeitsmarktreformen die »Flexibilisierung« der Arbeit vorangetrieben: die Möglichkeit der Wochenarbeitszeit von 40 auf 30 Stunden ohne Lohnausgleich, unregelmäßige Verteilung der Arbeitszeit über die Wochentage, Praktikanten erhalten eine Aufwandsentschädigung von monatlich 122 Dollar statt des Mindestlohns, das Alter von »Jugendlichenarbeit« wird von 24 auf 26 Jahre heraufgesetzt, staatliche Gelder der Arbeitslosenkasse werden für die Finanzierung einer »Arbeitslosenversicherung« verwendet, statt dass diese von Arbeitgeberseite bezahlt wird. Ecuadors Bosse, besonders auf den Bananenplantagen, missbrauchen Teilzeitarbeitsverträge, bei denen die ArbeiterInnen nur 15 Tage im Monat Geld verdienen können. Der Unternehmer hat den Gewinn, der Arbeiter verliert.

In den letzten 80 Jahren Bananenökonomie runden weitere Akteure das Bild ab: Die großen Fruchtimporteure, darunter viele deutsche Unternehmen. Eine Oxfam-Studie hat belegt, wie einige dieser Firmen ihre Marktmonopole ausnutzen, um die Preise für Bananen zu drücken. Damit schließt sich der extraktivistische Kreislaufprozess, bei dem die Verschlechterung der globalen Umwelt beschleunigt und die Lebenswelten der ArbeiterInnen und der in die Bananenwirtschaft einbezogenen Gemeinschaften vor Ort beeinträchtigt werden.

Übersetzung: Benjamin Beutler