nd-aktuell.de / 05.05.2017 / Politik / Seite 14

Streit um mehr Waldwildnis in Thüringen

Nachteile für die Artenvielfalt befürchtet

Jena. Im Streit um mehr Waldwildnis in Thüringen hat der Jenaer Biologe Ernst-Detlef Schulze der rot-rot-grünen Landesregierung vorgeworfen, der Artenvielfalt zu schaden. Werde Wald aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen, entwickelten sich vor allem Buchen-Monokulturen, sagte der einstige Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie im dpa-Interview. »Letztlich setzt sich Umweltministerin Siegesmund dafür ein, Biodiversität zu verringern und Artenvielfalt zu vernichten.«

Die Regierung will weitere Waldflächen aus der Nutzung nehmen. Im Koalitionsvertrag heißt es, im Laufe der Legislaturperiode sollen »aufbauend auf dem von der bisherigen Landesregierung verfolgten 25 000-Hektar-Ziel mindestens fünf Prozent des Waldes in Thüringen dauerhaft der forstwirtschaftlichen Nutzung« entzogen werden. Um die Umsetzung streiten aber das Agrar- und das Umweltministerium. Dabei geht es vor allem um den Possen rund um Sondershausen. Auch die Landesforstanstalt lehnt das Urwaldgebiet dort ab, dagegen geht Umweltverbänden wie dem BUND und dem Nabu die Umsetzung der Waldwildnis-Pläne nicht schnell genug. Deswegen haben sie eine Petition an den Landtag gerichtet.

Doch nicht nur in Thüringen wird darüber gestritten, mehr Wald aus der Nutzung zu nehmen. So sprach sich Bundesforstminister Christian Schmidt (CSU) gegen den Ausschluss weiterer Waldflächen von der Bewirtschaftung aus. Die Verwendung von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft trage mehr zum Klimaschutz bei, als Waldflächen komplett sich selbst zu überlassen, erklärte er. Trotz des erhöhten Holzeinschlags seien Deutschlands Wälder gemischter als noch vor zehn Jahren.

Wissenschaftler Schulze, der seit Jahrzehnten zur Biologie des Waldes forscht, hält das Fünf-Prozent-Ziel der Biodiversitätsstrategie für obsolet. Der Forst habe das darin formulierte Ziel einer positiven Entwicklung der Artenvielfalt längst erreicht, betonte er. Dabei verwies Schulze auf Untersuchungen zu Waldvögeln, bei denen es - bis auf zwei Arten - große Zunahmen gegeben habe. »Der Forst hat es geschafft, eine Struktur zu entwickeln, in der es mehr Artenvielfalt gibt als in einem Wald, der sich selbst überlassen ist.« dpa/nd