nd-aktuell.de / 06.05.2017 / Wissen / Seite 27

Revolution

ANNOTIERT

Siegfried Prokop

Den Ursachen und dem Verlauf der russischen Revolutionen im Februar und Oktober 1917, der Dialektik von Revolution und Gegenrevolution sowie dem Denken und Handeln von Lenin, Luxemburg und Gramsci ist das neue Heft der »Zeitschrift Marxistische Erneuerung« gewidmet. Den Auftakt gibt Frank Deppe, der in seinem Überblicksbeitrag zunächst an die entscheidenden Ereignisse vor 100 Jahren erinnert. Anschließend diskutiert er revolutionstheoretische Aspekte, darunter Probleme der Räteherrschaft und des Parlamentarismus. Die Hoffnung, dass sich mit der Etablierung des Rätesystems die Aufgaben der Partei gleichsam erschöpft hätten, erfüllte sich nicht. Mit der »Diktatur des Proletariats« wurde ein Einparteiensystem durchgesetzt, das mit dem Staatsapparat verschmolzen und das den Räten übergeordnet war.

Stefan Bollinger spannt den Bogen bis zur Neuen Ökonomischen Politik 1921 und zur Gründung der UdSSR im Jahr darauf. Er unterstreicht, dass die Oktoberrevolution aus den sich sukzessive radikalisierenden massenhaften Protestbewegungen gegen das Elend des imperialistischen Krieges und zunehmend auch gegen die ihn tragenden politischen Strukturen in Russland hervorging. Die Bolschewiki wurden zum Organisator der Revolution, weil sie es verstanden, die elementaren Massenforderungen nach Frieden, Brot und Land aufzunehmen und zu aktivem Handeln gegen Regierung, Krieg, kapitalistische Ordnung und für eine Macht der Sowjets zu mobilisieren. Ohne die Systemkonkurrenz mit dem sozialistischen Lager hätte es kein »sozialdemokratisches Jahrhundert« gegeben, meint Bollinger zudem.

Die Auseinandersetzung zwischen Lenin und Rosa Luxemburg 1903 und 1918, »Selbstbestimmungsrecht der Nationen« versus »national-kulturelle Autonomie«, skizziert Ulla Plener. Letztlich sei Lenins Unterscheidung des Nationalismus unterdrückter und unterdrückender Nationen die realitätstauglichere Idee gewesen.

Die Aktivitäten der revolutionären Arbeiter und Matrosen in Bremen an der Jahreswende 1918/1919 dienen Gerhard Engel als Mikrokosmos der allgemeinen Ausstrahlungskraft der Oktoberrevolution auf die Anti-Kriegs-Bewegungen. Der Autor verweist zugleich auf Illusionen der Bremer Linksradikalen bei ihrem Versuch, die Revolution bis zu einer sozialistischen Revolution voranzutreiben.

Der Schwerpunkt zum Jubiläum der Russischen Revolutionen wird mit Beiträgen zu »Gramsci und die Revolution« (Andre Tosel) und »Russische Parteien 1917 im programmatischen Wett- und Widerstreit« (Wladislaw Hedeler) abgerundet. Weitere Beiträge sind der Kapitalismustheorie gewidmet.

Siegfried Prokop

Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung. Hg. v. Forum Marxistische Erneuerung. 28. Jahrgang, Heft 109, 10 €; Z-Vertrieb, Postfach 500936, 60397 Frankfurt/Main.