nd-aktuell.de / 06.05.2017 / Kultur / Seite 9

Hoch die Hände

Zu Thomas de Maizières zehn Thesen zu einer Leitkultur für Deutschland

Der autoritäre Charakter ist leicht an seiner Sprache zu erkennen. Als Suchraster dient das Maß, wie häufig die Wörter »wir« und »uns« in einem Gespräch, einem Text oder einer Rede verwendet werden. Besonders dann, wenn »wir« und »uns« gleich in einem Satz vorkommen, weiß man, dass es hier nicht um das »Wir« oder das »Uns« im Sinne eines verbindenden Gemeinsinns geht, sondern um Befehl, Gehorsam, Unterordnung, die der Redner oder Schreiber von anderen erwartet. Thomas de Maizière hat diesen Charakter zu Beginn dieser Woche meisterlich in seinen zehn Thesen zu einer Leitkultur für Deutschland vorgeführt. Schon in der ersten These heißt es: »Wir geben uns zur Begrüßung die Hand.« Das provoziert uns gerade dazu, ihm - sollten wir (hier ist das Ich im Plural gemeint!) dem Bundesinnenminister einmal begegnen und ihm vorgestellt werden - eben nicht die Hand zum Gruß zu reichen, sondern es bei einem beiläufigen »Hi« bewenden zu lassen.

Dabei ist das Händeschütteln durchaus ein zivilisatorisches Zeichen. In archaischen Zeiten wurde damit dem anderen signalisiert, dass man keine Waffe mit sich führt oder jedenfalls nicht bezweckt, eine solche eventuell mit sich geführte Waffe zum Zweck des Angriffs einzusetzen. Aber auch das bloße Winken (das auch heute noch ähnlich dem Händeschütteln weit verbreitet ist) zählte einst zu diesen Gesten.

Das Händeschütteln hat sich seit den archaischen Zeiten aber zu einem ganz anderen Instrument entwickelt. Seines ursprünglichen Sinns enthoben, wird es als Geste der Dominanz eingesetzt. Dem anderen soll durch den festen Händedruck signalisiert werden: Ich bin stärker, mächtiger als du! Wer nur sanft die Handflächen des anderen berührt, offenbart diesem Weichheit, Nachgiebigkeit im Handeln, ja Unterwerfung.

Meist geht das für den, der sich unterwirft, nicht gut aus. Die jüngere deutsche Geschichte legt darüber beredt Zeugnis ab. Es gilt aber auch: Wer den Schmerz, den der harte Händedruck des anderen auslöst, ohne mit der Wimper zu zucken, aushält, stellt Gleichrangigkeit her! jam