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Das Phantom

Thomas Pynchon 80

  • Mario Scalla
  • Lesedauer: 3 Min.

Thomas Pynchon gilt als bedeutender US-amerikanischer Romancier, tritt jedoch nie öffentlich auf. Seine Bücher sind die einzigen öffentlichen Spuren seiner Existenz, wie es sein deutscher Verlag Rowohlt formuliert. Und diese Spuren sind tief in der Literaturgeschichte der USA.

Pynchon kam am 8. Mai 1937 in Glen Cove, New York, zur Welt - sehr viel mehr ist über seine Person nicht bekannt. In Lebensläufen werden immer die gleichen wenigen Daten kolportiert: Er studierte Physik und Englisch, war zwei Jahre bei der Marine und kurze Zeit Redakteur bei der Hauszeitschrift der Firma Boeing. Irgendwann hat er seine literarische Agentin Melanie Jackson geheiratet und ist Vater eines Sohnes geworden, der nicht seinen Nachnamen tragen soll.

In vielen biographischen Texten wird Pynchon als Schüler Vladimir Nabokovs (1899-1977) aufgeführt, bei dem er einige Jahre studiert haben soll. Allerdings teilte Nabokov einmal mit, er könne sich an einen Studenten dieses Namens nicht erinnern. Mal soll Pynchon an der Westküste der USA leben, dann wieder in New York, vielleicht war er einige Jahre in Mexiko, vielleicht auch nicht.

Sein großes literarisches Thema ist die Paranoia. Schon in seinem ersten Roman »V« (1963) dreht sich alles um eine mysteriöse Verschwörung, in die Geheimagenten, ein US-Konzern, Kunstdiebe und eine Reihe undurchsichtiger Gestalten verwickelt sind. Pynchon hat bisher acht Romane sowie einen Band Kurzgeschichten veröffentlicht. In einigen seiner Texte ist der Anarchismus ein wichtiges Motiv: So wird im Roman »Gegen den Tag« (2006) das Schicksal einer anarchistischen Familie Ende des 19. Jahrhunderts verfolgt, die sich diverser Verschwörungen der Mächtigen erwehren muss.

Als Pynchons Hauptwerk gilt der Roman »Die Enden der Parabel« (1973), für den er 1974 den National Book Award erhielt. Die Handlung spielt in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Ein Raketenbeschuss Londons steht bevor, die Nazis taumeln der Niederlage entgegen, und der Protagonist reist schließlich durch das besetzte Deutschland. Der Roman ist Verschwörungs-Thriller und surrealistische Kolportage, vollgepackt mit populär- und hochkulturellen Anspielungen. Virtuos verbindet er Mathematik und Geschichte, Chemie und Religion.

Meist sind es einfache Menschen, die in Pynchons Werken mit Verschwörungen konfrontiert werden, oder es sind Hippies, Außenseiter, Freaks aus der Gegenkultur wie in »Vineland« (1990) und »Natürliche Mängel« (2009). Viele Interpreten mutmaßen, der Autor selbst verstehe sich als Teil eines »anderen Amerika«. 1968 protestierte er zusammen mit anderen Autoren gegen den Vietnam-Krieg.

Als Iran zur Ermordung Salman Rushdies aufrief, setzte sich Pynchon für den Autor ein. Das bewog Rushdie, sich bei einem Treffen persönlich dafür zu bedanken - und auf diesem Wege dem mysteriösen Autor einmal zu begegnen. Das Treffen kam Ende der 90er Jahre zustande, und so verdanken wir Rushdie die einzige veröffentlichte Beschreibung dieses Autors: Er »sah genauso aus, wie Thomas Pynchon aussehen musste: groß, rotweiß kariertes Holzfällerhemd und Jeans, weiße Albert-Einstein-Frisur und Bugs-Bunny-Zähne.« epd/nd

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