nd-aktuell.de / 18.05.2017 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Bisheriger Kitaausbau reicht nicht aus

Bundesweit fehlen fast 300 000 Plätze

Stefan Otto

Der Engpass bei der Kitabetreuung bessert sich nicht. Bundesweit fehlten nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zum Ende des vergangenen Jahres 293 486 Plätze für Kinder bis zu ihrem dritten Geburtstag. Der weitaus größere Notstand betrifft die westdeutschen Länder, dort gab es 262 436 Plätze zu wenig, in Ostdeutschland fehlten 31 050 Plätze. Die Betreuungslücke ist demnach innerhalb eines Jahres um fast 66 000 Plätze gewachsen.

Der IW-Experte Wido Geis geht davon aus, dass der Bedarf an Kita-Plätzen auch künftig steigen wird. »Deutschland braucht mehr als eine Million Plätze - im letzten Jahr lagen wir gerade mal bei 720 000«, sagte Geis der »Bild«. Noch vor zehn Jahren ging die Bundesregierung davon aus, dass 35 Prozent der Eltern von Kindern unter drei Jahren eine Betreuung benötigen, heute sind es nach Angaben des Familienministeriums 46 Prozent. Deutlich mehr Frauen wollten heute früher in den Job zurückkehren und seien daher auf eine Betreuung angewiesen, erklärte Geis.

Ein weiterer Grund für den Anstieg des Betreuungsbedarfs ist der Zuwachs an Geburten in Deutschland. Über viele Jahre lag die Geburtenrate zwischen 1,3 und 1,4 Kinder je Frau. 2015 stieg sie auf 1,5 Kinder an. Außerdem kommen derzeit vermehrt Flüchtlingskinder in die Kitas.

Die Bundesregierung hat Ende April erst ein viertes Investitionsprogramm für 100 000 neue Kitaplätze auf den Weg gebracht. Die Ausbauhilfen des Bundes steigen damit bis 2020 um mehr als 1,1 Milliarden Euro an. Die Kritik der Opposition bleibt aber dennoch nicht aus: Die Grünen halten die Ausbaupläne für halbherzig, die Linkspartei fordert neben einer besseren Förderung der Erzieherausbildung ein Kitaqualitätsgesetz.

Wie notwendig das ist, zeigt ein Blick nach Bremen, wo die Betreuungslücke mit 20,2 Prozent besonders groß ist. Sprich: Für jedes fünfte Kleinkind gibt es keine Betreuung. Der Senat plant, auf den Engpass mit Provisorien zu reagieren. Die Gruppen sollen zeitweilig aufgestockt werden dürfen, und es sollen vermehrt Container aufgestellt werden, um die Platzprobleme aufzufangen. Kritik von Eltern wie Erziehern bleibt nicht aus, sie befürchten eine schlechtere Betreuung.