nd-aktuell.de / 20.05.2017 / Kultur / Seite 10

Leinwand versus Stream

Netflix-Filme in Cannes

Ein Zusammenspiel aus einem schwelenden Streit zwischen dem Filmfestival in Cannes und dem Streamingdienst Netflix einerseits und technischen Pannen andererseits hat am Freitagmorgen zu Tumulten bei einer Filmvorführung geführt. Gezeigt wurde die erste jemals in Cannes präsentierte Netflix-Produktion: »Okja« des innovativen südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho (»Snowpiercer«) wurde schon nach fünf Minuten gestoppt - wegen anhaltender Unmutsbekundungen aus dem Publikum.

Zunächst deuteten die meisten Medien die Zwischenrufe als Protest gegen die Festival-Präsenz des Streaming-Giganten und gegen dessen Geschäftsmodell, seine Produktionen zum Teil sofort als Stream anzubieten und sie gar nicht mehr im Kino zu zeigen. Diese Praxis ignoriert die französischen Regeln zum Schutze der Kinokultur, nach denen zwischen dem Kinostart und der Ausstrahlung als Stream 36 Monate liegen müssen. Wegen dieser Missachtung hat das Festival nun beschlossen, zukünftig keine Filme mehr ohne Kinostart zu präsentieren.

Inzwischen ist aber klar, dass das Publikum sich weniger an diesen Regelverstößen störte als an abgeschnittenen Köpfen: Der Film wurde zunächst im falschen Bildformat vorgeführt. Kurz nach der Unterbrechung wurde das moderne Märchen mit Tilda Swinton und Jake Gyllenhaal noch einmal von Anfang an gezeigt und konnte - sieht man von einigen Buhs beim Erscheinen des Netflix-Logos ab - ohne weitere Störungen präsentiert werden.

»Okja« erzählt von dem Mädchen Mija, das mit dem Riesentier Okja befreundet ist. Als ein mächtiges Unternehmen das Tier entführen will, versucht Mija, es zu beschützen. Netflix will den Film Ende Juni auf seiner Plattform veröffentlichen, ohne weltweiten Kinostart. »Okja« soll lediglich in den USA und Südkorea auf der großen Leinwand laufen.

Der Präsident der Jury in Cannes, Pedro Almodóvar, rechtfertigte vor einigen Tagen den zukünftigen Ausschluss von Netflix-Filmen. Er betonte, dass Kino ein Erlebnis auf der »großen Leinwand« sein sollte. »Die Größe (des Bildschirms) sollte nicht kleiner sein als der Stuhl, auf dem man sitzt.« Eine Goldene Palme für einen Film, der nicht im Kino laufe, sei mit ihm nicht zu machen, so Almodóvar. Das brachte wiederum Netflix-Chef Reed Hastings auf die Palme: »Das Establishment schließt seine Reihen gegen uns«, wetterte er auf Facebook. tri