nd-aktuell.de / 27.05.2017 / Wissen / Seite 24

Erfahrung und Bewusstsein

Bildungsrauschen

Lena Tietgen

Noch immer arbeiten deutlich mehr Frauen als Männer in sozialen und pädagogischen Berufen - mit Ausnahme allerdings von Leitungsfunktionen in diesem Berufsfeld. Diesem gesellschaftlichen Dilemma ist nicht allein mit einer Quote und größerer Wertschätzung der Tätigkeit zu begegnen. Wichtig sind vor allem leichtere Einstiege für Männer in die sozialen und pädagogischen Berufe.

karriere.diakonie.de verweist auf Seiten im Internet, die Interessierte direkt ansprechen. Beispielsweise boys-day.de. Analog zum »Girls Day«, der für Mädchen in männertypischen Berufen wirbt, werden mit dem »Boys Day« jährlich gezielt männliche Jugendliche angesprochen, einen Tag lang männeruntypische Berufe kennenzulernen. Seit 2011 haben nach Auskunft des Webportals rund 225 000 Jungen an insgesamt mehr als 37 700 Angeboten teilgenommen; allein in diesem Jahr waren es bereits 30 000 Jungs und 6700 Angebote. Einer der Anbieter ist das Kinderhaus »Paradies«, eine offene Kinder- und Jugendeinrichtung für Sechs- bis Zwölfjährige mit besonderem Förderbedarf in Darmstadt. Schwerpunkt der Einrichtung sind »identitätsbildende, extra geschlechterreflektierende Angebote«. Die zwei Teilnehmer des »Boys Day« halfen beim Einkauf und in der Betreuung. Sie bekamen einen Einblick in die Büroarbeit und lernten auch weitere Jugendtreffs kennen.

Der »Boys Day« ist eine Initiative der neue-wege-fuer-jungs.de, einem bundesweiten Netzwerk und Fachportal zur Berufswahl und Lebensplanung von Jungen. 2015 zeigten sich 94 Prozent aller teilnehmenden Gruppen »zufrieden« und ein Fünftel der Einrichtungen konnte Bewerbungen für Praktikumsplätze vorweisen. 63 Prozent der männlichen Jugendlichen fanden den Tag nützlich, da er für »Klarheit« sorgte, 52 Prozent konnten einen interessanten Beruf entdecken. Die meisten der Jungs meinten, ihre Eltern und Bekannten seien gegenüber dem Erzieher- oder Altenpflegerberuf »aufgeschlossen«. Ihr Alter lag zwischen 13 und 15 Jahre, oft kamen sie vom Gymnasium, 30 Prozent stammten aus Einwandererfamilien.

Wissenschaftlich ambitioniert ist das 2010 gestartete Forschungsprogramm des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zum Thema »Sexuelle Gewalt in pädagogischen Kontexten«, das klassisch der Aufklärung dienen und Handlungsoptionen aufzeigen soll. In diesem Sinne trägt es zur Sensibilisierung für einen fachgerechten Umgang mit Schutzbefohlenen und damit zur Prävention und dem Abbau von Vorurteilen bei. So untersucht eines der Projekte mit dem akademischen Titel »Institutionelle Risikokonstellationen sexueller Gewalt in familialisierten pädagogischen Kontexten« die Strukturen der pädagogischen Beziehung zu Jugendlichen innerhalb verschiedener Einrichtungen. Gefragt wird hier, welche Beziehungsstrukturen zwischen Pädagogen und Jugendlichen zur sexuelle Gewalt führen und welche vorbeugenden Charakter haben.

Eine Liste der bestehenden Projekte samt Laufzeit und Institutionen stellt das BMBF unter bmbf.de/pub/Sexuelle_Gewalt_ gegen_Kinder_und_ Jugendliche.pdf zur Verfügung. Lena Tietgen