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Ein Tag wie ein Jahr

Ungewöhnlich starke Regenfälle verursachen schwere Flutkatastrophe in Sri Lanka

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Inselstaat Sri Lanka leidet im zweiten Jahr in Folge unter einer besonders starken Regenzeit. Heftiger Monsun-Regen und Schlammlawinen haben mindestens 126 Menschen das Leben gekostet und fast eine halbe Million obdachlos gemacht. Die Wetterfront mit Starkregen hatte vor allem am Donnerstag und Freitag über dem Westen des Landes, rund um die Hauptstadt Colombo, bis hinunter in den Süden zugeschlagen. Stellenweise betrug der Niederschlag während 24 Stunden so viel wie der durchschnittliche Regenfall pro Jahr. Das sind auch die Regionen, wo der für die Wirtschaft der Inselnation so wichtige Tourismus konzentriert ist. Das staatliche Zentrum für Katastrophenmanagement DMC sprach in seiner jüngsten Stellungnahme von knapp 110 000 Familien, die betroffen seien, was insgesamt 423 000 Personen ausmacht.

Vor allem für Ortschaften direkt an Flussläufen, wo der Pegel rapide anstieg, wurden Evakuierungsaufrufe gestartet. Denn auch wenn die unmittelbaren Wolkenbrüche zunächst vorbei waren, die allein in Ratnapura als Spitzenwert 348 Millimeter Regen gebracht hatten, so sind weitere Niederschläge auch in den nächsten Tagen zu erwarten, teilten die Meteorologen mit.

Primär sind die Überflutungen eine Naturkatastrophe, die durch den Klimawandel verstärkt wurde. Doch menschliche Einflüsse haben vielerorts dazu beigetragen, die Lage zu verschärfen. So haben massive Abholzungen zu Erdrutschen geführt, die andernfalls hätten im Einzelfall vermieden werden können. Jetzt aber fehlten die Bäume, die üblicherweise mit ihrem Wurzelgeflecht dem Boden Halt geben. Ähnlich sieht es an Flüssen und Kanälen aus, wo die Häuser bis unmittelbar ans Ufer herangerückt sind. Patali Champika Ranawaka, Minister für Entwicklung in der Hauptstadtregion und im Westen, erließ bereits am Wochenende eine Anordnung, solche illegalen Siedlungen zu entfernen, um den Wasserwegen im Bedarfsfall eine stärkere Ausdehnung zu ermöglichen. Doch es geht nicht nur um ohne Baugenehmigung errichtete Häuser der Ärmsten. Auch das ganz legale Baugestehen, der Immobilienboom mit immensen Flächenversiegelungen, sei ein ernstes Problem, wird auch in einem Hintergrundbeitrag der Zeitung »The Island« kritisiert. Besorgt sind die Behörden, dass der Fluss Kelani, der auch durch die Hauptstadt Colombo fließt, ebenfalls über die Ufer treten könnte.

Mindestens am Montag wird in den betroffenen Regionen großflächig der Unterricht ausfallen, teilten die Behörden mit. Bildungsminister Akila Viraj Kariyawasam hat es ansonsten in erster Linie den Schulleitern und lokal Verantwortlichen überlassen, die Entscheidung über Öffnung und Schließung von Schulen zu treffen.

Die Opferzahlen könnten derweil noch steigen. Gesundheitsminister Rajitha Senaratne, der auch als Regierungssprecher fungiert, sprach von etwa 100 Vermissten, nach denen noch gesucht werden. Einig sind sich in der Bewertung alle, dass es sich um die schlimmste Flutkatastrophe seit mindestens 14 Jahren handelt. In Sri Lanka beginnt im Mai üblicherweise der Südwest-Monsun, der Regen im Süden, Westen und Zentrum der Insel bringt. Doch in den letzten Jahren kam das eingespielte Regensystem durcheinander. Genaue Vorhersagen werden immer schwieriger. Im vergangenen Jahr starben bei ähnlichen Unwettern mindestens 127 Menschen. Erdrutsche verschütteten damals ganze Dörfer. Mindestens 300 000 Menschen mussten vorübergehend aus ihren Behausungen fliehen.

Präsident Maithripala Sirisena, der gerade von einem Staatsbesuch aus Australien zurückkehrte, sagte all jenen, die ihr Obdach verloren hätten, staatliche Hilfe beim Bau neuer Häuser zu. Das Staatsoberhaupt verschaffte sich in Kalutara südlich der Hauptstadt einen persönlichen Überblick zur aktuellen Situation. Dieser Distrikt, wo es allein fünf Erdrutsche gab, gehört zu den am schlimmsten betroffenen. Unterdessen war das Militär im Einsatz, um mit Evakuierungs- und Versorgungsflüge überflutete Ortschaften zu erreichen. Die Bitte Sri Lankas um internationale Unterstützung wurde ganz unmittelbar vom großen Nachbarn im Norden beantwortet. Indien schickte bereits am Sonnabend das Marineschiff Kirch mit Hilfsgütern. Weitere Hilfe sei unterwegs, kündigte Indiens Botschafter in Sri Lanka, Taranjit Singh Sandhu, an.

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