nd-aktuell.de / 30.05.2017 / Berlin / Seite 11

Rot-Rot-Grün legt Anti-Terror-Gesetz vor

Koalitionspartner wollen Prävention, Opferschutz sowie Behördenstrukturen verbessern

Martin Kröger

Nahezu wöchentlich beginnen derzeit in Berlin Prozesse gegen mutmaßliche Unterstützer von dschihadistischen Organisationen. Am kommenden Freitag startet ein Verfahren gegen einen 31-Jährigen, der Reisen von Dschihadisten in den selbst ernannten Islamischen Staat organisiert haben soll. Im Fall einer Haftstrafe will Rot-Rot-Grün künftig ansetzen, um die Häftlinge zu deradikalisieren. »Da müssen wir jetzt reagieren und beispielsweise arabisch-sprachige Sozialarbeiter in den Gefängnissen zur Verfügung stellen«, sagt der Innenexperte der Grünen. Benedikt Lux, dem »nd«.
Prävention und Deradikalisierungskonzepte sind allerdings nur ein Teil der verschiedenen Elemente eines neuen rot-rot-grünen Antiterrorgesetzes, das die Koalitionspartner in der nächsten Parlamentssitzung am 22. Juni ins Abgeordnetenhaus einbringen wollen. Der Mitte-Links-Koalition geht es zudem um eine Verbesserung der Kommunikation innerhalb der Behörden. »Wir haben unsere Philosophie bestätigt, für die Rot-Rot-Grün steht«, sagt Lux: »Nicht immer neue Überwachungsgesetze zu verabschieden, sondern die Sicherheitsbehörden besser aufzustellen und die Prävention zu verbessern.«

Dass die Anti-Terror-Maßnahmen in der Hauptstadt verbessert werden müssen, findet sich bereits in der Koalitionsvereinbarung wieder. So soll Berlin beispielsweise mit dem Land Brandenburg und dem Bund Gespräche führen, um ein gemeinsames Trainingszentrum für die Polizei zu schaffen. »Damit greifen wir eine Idee aus der Polizei auf«, sagt der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Zimmermann. Die Idee: Durch das gemeinsame Training ist man im Anschlagsfall besser vorbereitet.

Rot-Rot-Grün fordert darüber hinaus eine Festigung der Kommunikationsstrukturen innerhalb der Behörden, aber auch mit den Betreibern von sensiblen Infrastrukturen, die durch die Terrorgefahr bedroht sind. Also etwa mit den Betreibern des Wasser- und Stromnetzes sowie den Mobilfunkanbietern. Geprüft wird, ob eine Art gemeinsames Lagezentrum der unterschiedlichen Akteure eingerichtet wird, das in einer entsprechenden Notlage unkompliziert aktiviert werden kann.

Teil der Strategie gegen die terroristische Bedrohung ist es zudem, mehr Personal bei der Polizei für Observationen von mutmaßlichen Gefährdern zur Verfügung zu stellen. Im Fall des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri hatte sich gezeigt, dass die Polizei über zu wenige Observationsteams verfügt, um eine dauerhafte Überwachung zu gewährleisten. »Wir wollen diese Observation stärken«, sagt Zimmermann. Wie viele Mittel für neues Personal in diesem Bereich zur Verfügung stehen, wird Teil der Verhandlungen für den Haushalt sein.

Mehr finanzielle Mittel für die Ausstattung bei der Polizei hatte Rot-Rot-Grün bereits nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz bereitgestellt. Mit dem neuen Gesetz will die Koalition aber schon vor der Radikalisierung ansetzen. So sollen bestehende Deradikalisierungsprogramme analysiert und gegebenenfalls ausgeweitet werden. Ziel der Koalition ist es, ein Kompetenznetzwerk zu knüpfen, das die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Ursachen der Radikalisierung sammelt, auswertet und an die wichtigen Stellen in der Polizei, dem Strafvollzug und der Pädagogik zur Verfügung stellt.

Dass derzeit einiges noch nicht alles optimal ist, hat unterdessen der islamistische Anschlag kur vor Weihnachten gezeigt. »Danach ist einiges schief gelaufen«, sagt Hakan Taş, der für die LINKE an dem Antrag für das neue Gesetz mitgearbeitet hat. »Da haben Angehörige von Opfern nicht die vollständigen Informationen erhalten.« Rot-Rot-Grün will daraus lernen: »Für Opfer, Hinterbliebene und Verletzte muss es eine Anlaufstelle geben«, sagt Taş. Auch das müsse in