Sie brauchte das Geld

Diane Kruger wurde in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Fluch der Helena könnte nun endlich gebrochen sein. Diane Kruger wird es hoffen, es wäre ihr zu wünschen. Denn Krugers Darstellung jener »schönsten Frau der Antike« in Wolfgang Petersens kreativem Totalausfall »Troja« (2004) hing ihr lange Jahre wie ein Mühlstein um den Hals. Zwar ebnete ihr dieser »internationale Durchbruch« den Zugang zu weiterem gut bezahltem Action-Müll wie »Das Vermächtnis der Tempelritter«. Doch glücklich wird man mit solchen Arbeiten nicht, und so spielte die in Niedersachsen geborene Kruger, so gut es ging, gegen das hartnäckige Helena-Klischee an. Wenn dies nicht in Hollywood möglich war (Ausnahmen: »Inglorious Basterds«, »Unknown Identity«), so tat sie es in Europa, vor allem Frankreich. Die Taktik hat jetzt Früchte getragen.

Denn nun wurde sie beim Filmfestival in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet. Für eine Rolle, die mit Schönheit nichts zu tun hat: Prollig, tätowiert und mit der furchteinflößenden Geradlinigkeit, die eine Mutter und Ehefrau auf Rachekurs auszeichnen kann, agiert sie in Fatih Akins »Aus dem Nichts«. Im Film werden Krugers Sohn und kurdischstämmiger Mann von Nazis ermordet, der Rechtsstaat versagt, und die zurückgelassene Frau nimmt ihre Geschicke selber in die Hand. Der Film, der sich lose an Vorgänge um den NSU anlehnt, wird nicht nur vom »Spiegel« als »mittelprächtiger Tatort« abgekanzelt. Dass aber Diane Kruger in dieser durchschnittlichen Umgebung große Schauspielkunst abgeliefert hat, darüber herrscht bei Jury, Publikum und Kritikern seltene Übereinkunft. Mach’s gut Helena!

Zu Beginn ihrer Karriere schien die heute 40-Jährige das Bild der braven und schönen Helena noch übererfüllen zu wollen. Sie war erst 13 Jahre alt, da schaffte sie es mit gruseliger Disziplin aus der deutschen Provinz an die Royal Ballett School nach London. Nach einer Verletzung wechselte sie, ziemlich helena-mäßig, vom Tanz auf die Titelblätter von »glamourösen« Konsumpropagandisten wie »Elle« und »Vogue«. Na gut: Sie war jung und brauchte das Geld.

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