nd-aktuell.de / 01.06.2017 / Sport / Seite 19

Ein Skandalspiel zum Abschied

1860 München steigt in die 3. Liga ab - große Teile von Klubführung und Mannschaft verlassen den Traditionsverein

Maik Rosner, München

Den Skandalszenen auf den Tribünen und dem Abstieg in die dritte Liga folgten die Rücktritte des Präsidenten, des Geschäftsführers und wohl auch des Trainers. Geworfene Sitzschalen und Eisenstangen hatten zehn Polizisten am Dienstagabend in der Münchner Arena leicht verletzt und den TSV 1860 München beim 0:2 (0:2) im Relegationsrückspiel gegen Jahn Regensburg beim Absturz auf den vorläufigen Tiefpunkt begleitet. Nun stehen die Löwen nicht nur vor dem Scherbenhaufen ihrer jahrelangen Misswirtschaft unter Investor Hasan Ismaik, sondern auch noch ohne ihre sonstigen führenden Köpfe da. Die Zukunft des Traditionsklubs scheint ungewisser denn je.

Der erst im April vom FC Liverpool gekommene Geschäftsführer Ian Ayre hatte bereits am Tag vor dem Spiel seinen Rücktritt eingereicht, offenbar nach wiederholten Disputen mit Ismaik. Die Anteilseigner hätten »weder in einem gemeinsamen Interesse noch einer vereinbarten Vision für den Verein« zusammengearbeitet, sagte Ayre dem »Liverpool Echo«. Nach dem besiegelten Abstieg folgte der Rückzug des Präsidenten Peter Cassalette. Dieser wolle einem Neuanfang nicht im Wege stehen, teilten die Löwen mit.

Die Information über Ayres’ Abschied hatte der Verein zurückgehalten, um die Mannschaft vor dem Rückspiel gegen Regensburg nicht zu belasten. Auch Trainer Vítor Pereira, erst im Januar mit dem Ziel angetreten, 1860 nach oben zu führen, dürfte nun schon wieder Geschichte in München sein. Anders waren seine Abschiedsworte kaum zu deuten: »Ich habe dieses Risikoprojekt angenommen. Leider hat es nicht gereicht, die Ziele zu erreichen. Es ist ein trauriger Moment. Es ist alles schwer zu verkraften. Bei mir bleibt ein großer Schmerz«, sagte der Portugiese und erklärte, »dass das Projekt gescheitert ist«. Dass er sich zudem bei allen im Verein bedankte, klang schwer nach Abschied. Rückfragen dazu wollte Pereira nicht beantworten.

Wie es nun weitergeht, ist noch völlig offen. Ein massiver Umbruch hat nicht nur auf Funktionärsebene begonnen. Auch der Kader wird nahezu komplett auseinander brechen. Kapitän Kai Bülow gab am Mittwoch seinen Wechsel zum anderen Zweitligaabsteiger Karlsruher SC bekannt. »Ich habe sieben Jahre lang alles für 1860 München gegeben und wollte mich neu orientieren«, sagte er vielsagend. Die wenigsten Spieler haben Verträge für die dritte Liga. Bereits am 21. Juli beginnt dort die neue Saison.

Unklar ist zudem, wie sich Ismaik nun verhalten wird. Der Verein ist finanziell komplett abhängig von dem Jordanier, der seit seinem Einstieg im Jahr 2011 rund 60 Millionen Euro in den Klub investiert haben soll. Er wolle die Sechziger »nicht im Stich lassen«, hatte er vor dem Rückspiel gegen Regensburg versprochen.

Die Lizenz für die 3. Liga ist zudem auch noch fraglich. Sie sei »nicht zu erlangen, ohne dass es zu weiteren Zahlungen von Herrn Ismaik kommt«, sagte Rainer Koch, Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes, am Mittwoch dem Fernsehsender Sky. Bis Freitag müssen die Löwen ihre Unterlagen einreichen.

Ismaiks Bilanz seiner sechs Jahre beim Meister von 1966 fällt ernüchternd aus. Bis in die Champions League wolle er 1860 führen, hatte Ismaik seit seinem Einstieg immer wieder angekündigt. Nun dürfte es vor allem darum gehen, dass der Verein nach dem jahrelangen Chaos nicht komplett auseinanderbricht. Durch den Abstieg der Profis wird die U21 zwangsweise von der Regional- in die fünftklassige Bayernliga zurückgestuft. Sportlich abgestiegen sind auch die drei wichtigsten Juniorenteams, die U19, U17 und U16.

Zur sportlichen Tristesse kamen die skandalösen Begleitumstände in der Schlussphase der zweiten Verabredung mit Regensburg hinzu, als die Partie wegen der Ausschreitungen im Fanblock der Löwen für fast eine Viertelstunde unterbrochen werden musste. Weil auch nach Wiederbeginn immer wieder Sitzschalen und Stangen in den Regensburger Strafraum flogen, nehmen die Löwen auch noch die Debatte über einen womöglich nötigen Abbruch und einen weiteren Imageschaden mit in ihre sehr ungewisse Zukunft.