nd-aktuell.de / 01.06.2017 / Politik

Jobcenter darf nicht in Sex-Shop zwangsvermitteln

Hartz-IV-Betroffene wehrt sich gegen Arbeit im Erotikbereich / Kipping: In diesem Fall dürfen keine Sanktionen angedroht werden

Elsa Koester

»Stellenangebot: Erdbeermund Erotic-Store sucht Verkäufer/in in Vollzeit und Teilzeit. Bewerben sie sich bitte umgehend schriftlich oder per Email. Rechtsfolgenbelehrung: Die §§ 31 bis 31b SGBII sehen bei einer Weigerung eine zumubare Arbeit aufzunehmen Leistungsminderungen vor.« Dieser Brief vom Jobcenter Berlin-Pankow flatterte im April einer Berliner Hartz-IV-Betroffenen ins Haus. Übersetzt heißt dieses Behörden-Sprech: Frau W. muss sich umgehend beim Sexshop Erdbeermund bewerben, sonst wird ihr das Arbeitslosengeld gekürzt.

Frau W. fand das gar nicht lustig und ging mit dem Schreiben an die Öffentlichkeit. Und da sich Frau W. zuvor rechtskundig gemacht hatte, schrieb sie auf dem Blog sogleich dazu[1]: »GUT, es ist ja im EROTIKBEREICH - da DARF es keine Rechtsfolgenbelehrung geben...« Die Rechtsbelehrung, die Androhung von Sanktionen im Falle einer ausbleibenden Bewerbung, wurde aber mitgeschickt. Darf das Jobcenter also zwangsweise in Erotik-Shops vermitteln?

Nein, darf es nicht. Für diese Aufklärung sorgte nun die LINKE-Chefin Katja Kipping. In einer Antwort auf ihre Kleine Anfrage[2] teilte die Bundesregierung mit, der »Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen im Handel und Vertrieb erotischer Waren bei einem Arbeitgeber aus dem erotischen Bereich« stünde »grundsätzlich« nichts entgegen. Aber, und hier wird es interessant: Zum Schutz der individuellen Persönlichkeitsrechte sei sensibel vorzugehen. »Dementsprechend empfiehlt die Bundesagentur für Arbeit, derartige Vermittlungsvorschläge ohne Rechtsfolgenbelehrung zu versehen, so dass eine Arbeitsablehnung in diesem Bereich sanktionsfrei bleibt.«

Der Arbeitsvermittler hätte die Stellenausschreibung als weiterleiten dürfen, aber ohne die Androhung von Sanktionen – zumindest empfiehlt dies das Arbeitsministerium.

»Niemand muss sich in den Sexshop vermitteln lassen, wenn er oder sie nicht will«, stellt Kipping daher fest, und erneuert ihre Forderung nach einer Abschaffung der Sanktionen bei Hartz-IV: »Denn dann wäre klar, dass niemand zur Aufnahme einer ganz bestimmten Arbeit unter fragwürdigen oder gar unsittlichen Bedingungen gezwungen wäre.«

Frau W. jedenfalls sieht in der Sanktionsandrohung eine Nötigung zur Arbeit im Sex-Shop und kündigte an, Strafanzeige zu erstatten. »Erotik ist für mich nur da geil, wo sie keine lohnabhängige Dienstleistung ist«, schreibt sie zur Erklärung.

Links:

  1. http://gerichtsverfahrenundklageprozesse.blogspot.de/2017/05/das-heieste-angebot-das-herr-m-mir.html
  2. http://www.katja-kipping.de/de/article/1256.keine-vermittlung-in-sexshops-mit-sanktionsandrohung.html