nd-aktuell.de / 08.06.2017 / Kultur / Seite 17

Wortwitz

Dalibor Markovic vor Mikrophonhintergrund

Philip J. Dingeldey

Seit dem Aufkommen von Poetry Slams befindet sich die Lyrik im Wandel: Mehr Wert wird auf Verständlichkeit und Alltäglichkeit gelegt, damit die Sprache authentisch wirkt. Einer der wenigen Bühnenpoeten, der es dennoch schafft, kaum ins Banale abzurutschen, ist Dalibor Marković, 1975 in Frankfurt am Main geboren, mit kroatischen Wurzeln. In seinem Lyrikband »Und Sie schreiben auf Deutsch?« setzt er sich mal humorvoll, mal verbittert, aber so gut wie immer kritisch mit Themen wie Migration, Vielsprachigkeit und Armut auseinander.

Das Buch umfasst Gedichte, die Marković mal alleine, mal im Team mit anderen Dichtern bereits vorgetragen hat. Die meisten Texte sind mit Anmerkungen versehen, wo sie erstmals zu hören waren, wie lange er daran gearbeitet hat und wie sie überhaupt entstanden sind. Das gibt einen kleinen Einblick, wie dieser Lyriker so arbeitet.

Spannender ist »Und Sie schreiben auf Deutsch?« inhaltlich. Mit Wortspielen wie »Ein geregeltes Reinkommen« kombiniert er die nackten Existenzängste des Prekariats und von Migranten. Doch wenn Marković über Migration schreibt, geht es bei ihm nicht immer explizit um soziale Ungleichheiten. Im titelgebenden Gedicht »fragil mich nicht« sagt er etwa, wie er manchmal antworten möchte, es aber nicht tut. Ob man vom Schreiben leben könne? Ob er auf Deutsch schreibe? Da fallen ihm Wortwitze ein. Er vermutet etwa, dass sein Gegenüber wohl ein Manager oder vielmehr man-ager sei, weil man in seiner Anwesenheit stark altere. Ansonsten lege er mehr Wert auf seinen Mikrophonhintergrund als auf einen Migrationshintergrund.

Manchmal macht er sich auch über Klassenfragen lustig, lässt etwa einen Dialog zwischen einem Banker und einem Bettler von einem Denker unterbrechen, der auf der Suche nach Partydrogen ist und alles auf das Problem mangelnder Anerkennung, statt sozialer Umverteilung zurückführt. In seinem »Kinderlied« antwortet er einem Kind, das Fragen zur Einkommensverteilung stellt. Er beginnt seine Antworten mit Lautieren und kindlicher Sprache, was aber schnell übergeht in Kriegslaute. Zwischen Armut, Ignoranz und Unterhaltung besteht ein Zusammenhang.

Zunächst wirkt Markovićs Werk stilistisch simpel. Es gibt oft kein richtiges Versmaß, und wenn er reimt, dann nur im Paarschema. Spannend wird sein Stil dagegen durch Wortspiele und die Vermischung verschiedener Sprachen, womit er häufig Sprachbarrieren problematisiert. Eine gelungene Kombination aus Humor und Ernsthaftigkeit, Wortwitzen und Groteskem sowie Alltag und Gesellschaftskritik.

Dalibor Marković: Und Sie schreiben auf Deutsch? Lyrikband mit CD. Voland & Quist. 109 S., br., 15 €.