nd-aktuell.de / 09.06.2017 / Politik / Seite 2

»Rabatte statt rabotten«

Die AG Delegiertenmandat, der »Swag« und die innerlinke Demokratie

Die Lektüre des dritten Antragsheftes für den Linksparteitag beginnt mit einer Irritation. »Keine Koalitionen auf Bundesebene mit neoliberalen Zusammenschlüssen«, ist der erste Antrag überschrieben. Und was Tilman Loos hier in seiner Eigenschaft als »Großer Bruder Nr. 3« eingereicht hat, ist schönster Polit-Dadaismus.

Nicht nur, dass der Antrag einen anderen hochnimmt, in dem es um die umstrittene Frage von Regierungsbeteiligungen geht - Massenaustritte, Putschversuche, Sirenengesänge! Wer verstehen will, warum es hier um goldene - mit Ausrufungszeichen! - Mitgliedskarten geht, um den »Swag«, also um beneidenswerte, lässig-coole Ausstrahlung, und um »Rabatte statt rabotten«, muss noch ein Thema weiterspringen.

Und das ist durchaus ein ernstes. Loos sitzt im Vorstand des sächsischen Landesverbandes und man darf ihn so etwas wie das demokratische Gewissen der Linkspartei nennen. Wann immer sich in den vergangenen Jahren Parteitagsregie über Mitgliederwillen hinwegsetzte, wann immer den großen Reden mehr Zeit eingeräumt wurde als den kleinen Anträgen, stand irgendwann Loos am Saalmikrofon und machte seinem Ärger Luft.

Nun ist Loos bei einem Projekt dabei[1], bei dem es um solche Delegiertenmandate mit beschließender Stimme geht, welche den bundesweiten Zusammenschlüssen zugewiesen werden. Insgesamt sind das bei Bundesparteitagen 50, unter den Zusammenschlüssen finden sich Strömungen wie die Antikapitalistische Linke und Facharbeitsgemeinschaften, etwa für Bildung. Was Loos an der bisherigen Regelung stört? Sie verletzt die Grundidee »One member, one vote«, weil die Mitglieder über ihre Zusammenschlüsse stärker auf die Zusammensetzung von Parteitagen und damit auf die Entscheidungsfindung mehr Einfluss nehmen können.

Für Sachsen kann Loos das vorrechnen: Wer in einer Strömung ist, darüber hinaus in einer Fach-AG und zudem noch als einfaches Parteimitglied seine Rechte wahrnimmt, hat fast neunmal so viel Einfluss auf die Zusammensetzung von Parteitagen wie ein einfaches Parteimitglied ohne andere Mitgliedschaften.

Deshalb gründete sich die AG Delegiertenmandat[2], inzwischen gibt es Zuspruch in allen Landesverbänden der Linkspartei - und das Ziel ist ziemlich einfach: So groß werden, dass es für eigene Delegiertenmandate reicht, damit dann zumindest die Abschaffung derer mit beschließender Stimme erreicht werden kann. Oder in den Worten der AG: »Indem wir das System, was das gültige ist, mit aller Kraft nutzen.«

Deshalb wird kein Mittel ausgelassen, vor allem keines, das nach Spaß klingt. »Wir sind gewissermaßen die Kaffeefahrt unter den Zusammenschlüssen«, sagt Loos. Motto: Ernste Inhalte humorvoll transportieren. Da wird dann auch schon einmal die Ersetzung des Buchstaben »s« in Resolution durch ein »v« beantragt. Und ein bisschen geht es ja bei dem, was Loos will, tatsächlich um eine Revolution.

Unter den Zusammenschlüssen sind auch die Strömungen der Linkspartei, doch es geht Loos nicht allein um diese. »Wir finden es sogar richtig, dass diese Delegierte mit beratender Stimme haben, Anträge stellen können usw.« Nur eben mitbeschließen sollen sie nicht. Wegen der innerparteilichen Demokratie. tos

Links:

  1. https://delimandat.de/
  2. https://delimandat.de/