nd-aktuell.de / 10.06.2017 / Kultur / Seite 9

Die Kinder von Lidice

Das Denkmal für die Kinder von Lidice, 2001 an jenem Ort errichtet, an dem vor 75 Jahren deutsch-faschistische Truppen ein Massaker verübten - als Vergeltung für das Attentat auf Reinhard Heydrich, den Leiter des Reichssicherheitshauptamts und Stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, in Prag Ende Mai 1942. 172 männliche Dorfbewohner, die über 16 Jahre alt waren, wurden am 10. Juni 1942 an Ort und Stelle erschossen, 195 Frauen in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Die 98 Kinder des Dorfes nahe der tschechoslowakischen Hauptstadt wurden ins Ghetto von Lódź verschleppt, wo man sie nach rassischen Kriterien »selektierte«: Dreizehn wurden zur »Germanisierung« in ein »Lebensborn«-Heim der SS gebracht, die anderen ins Vernichtungslager Kulmhof geschickt. Das Dorf wurde dem Erdboden gleichgemacht. Als die Untat der Deutschen weltweit bekannt wurde, haben mehrere Ortschaften und Gemeinden in Lateinamerika und den USA sich nach dem ausgelöschten tschechoslowakischen Dorf umbenannt. Heinrich Mann verfasste noch im gleichen Jahr seinen Roman »Lidice«, der österreichisch-amerikanische Komponist Max Brand komponierte eine »Ballade für Lidice«, weitere Anklagen von antifaschistischen Künstlern und Künstlerinnen folgten. Die einmalige Suchaktion nach den Kindern von Lidice nach dem Krieg konnte nur die dreizehn nach Bayern verschleppten sowie sechs im KZ Ravensbrück geborenen Kinder ausfindig machen.

In Tschechien wird an diesem Samstag nicht nur am Ort des Verbrechens der ermordeten Dorfbewohner wie auch der Widerstandskämpfer gedacht, die den Anschlag auf Heydrich verübt hatten. Und die Regierung in Bratislava will einen der Attentäter, der slowakischer Nationalität war, posthum auszeichnen. Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) nimmt den Tag zum Anlass, an alle Kämpferinnen und Kämpfer gegen den Faschismus zu erinnern und vor Geschichtsfälschung zu warnen: »Nicht der antifaschistische Widerstand war verantwortlich für dieses Massaker, sondern die faschistische Okkupationspolitik. Keine Relativierung faschistischer Verbrechen, keine Rehabilitierung faschistischer Kollaborateure!« Die von der Bildhauerin Marie Uchytilová geschaffene Bronzegruppe soll zugleich an alle Kinder erinnern, die Opfer von Kriegen wurden und noch heute sind. ves