nd-aktuell.de / 13.06.2017 / Politik

Innenminister beraten über mehr Überwachung

Bayerns CSU-Vertreter prescht mit Forderungen nach Schleierfahndung und Kontrollen von Kindern vor / Ablehnung von nicht allen Amtskollegen

Dresden. Im Vorfeld der Innenministerministerkonferenz (IMK) in Dresden ist der bayerische CSU-Innenminister Joachim Herrmann mit Vorschlägen zur Überwachung von Kindern und der bundesweiten Einführung der Schleierfahndung vorgesprescht. Einige Amtskollegen positionieren sich dagegen – und wittern Wahlkampfmotive.

So hält der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) den Vorschlag aus Bayern nach einer Geheimdienst-Überwachung von Kindern für unrealistisch. »Dass wir den Verfassungsschutz auf Kinder und junge Jugendliche losschicken, das geht nicht. Das ist erstmal faktisch nicht machbar und zweitens schließt sich das mit unserer politischen Vorstellung völlig aus«, sagte Lewentz. Der Verfassungsschutz sollte nach dem Willen von Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) Kinder im islamistischen Umfeld beobachten dürfen. Auch die rheiland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte davor gewarnt, das Mindestalter von 14 Jahren zur Überwachung weiter zu senken.

Der SPD-Innenpolitiker warf Herrmann vor, Wahlkampf um das Amt des Bundesinnenministers zu machen. Immer, wenn es auf eine Innenministerkonferenz zugehe, gerade auch im Wahljahr, komme Herrmann öffentlich »mit unglaublich vielen Forderungen«, sagte Lewentz. »Das kann man auf der Innenministerkonferenz alles ansprechen, aber wenn man anfängt und meint, man könne im Vorfeld politischen Druck aufbauen, ist meine Erfahrung (...): Das bringt nichts.« In der Inneren Sicherheit müssten die maßgeblichen Spielregeln von allen gemeinsam beschlossen werden.

Herrmann hat seinen Vorschlag unterdessen verteidigt: »Da geht es um extreme Ausnahmesituationen«, sagte der CSU-Politiker am Dienstag im Deutschlandfunk. Im islamistischen Bereich seien in den vergangenen Jahren auch »Minderjährige« zu Gewalttaten angestiftet worden oder hätten sich selbst dazu entschlossen. In solchen Fällen dürfe der Verfassungsschutz aber derzeit keine Daten speichern, sagte er. Es sei »weltfremd«, wenn Ermittler von einem radikalisierten Minderjährigen wüssten, aber wegschauen müssten.

Ablehnung der Schleierfahndung aus Berlin – aber Verständnis für Messenger-Überwachung

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist gegen die Einführung der Schleierfahndung in Berlin. »Die Schleierfahndung ist hier vor über zehn Jahren abgeschafft worden, weil Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis standen«, sagte er am Montagabend in der rbb-»Abendschau«. Wichtig sei, dass die Polizei handlungsfähig sei - »und das ist sie in Berlin - unabhängig davon, wie die Rechtsgrundlage heißt«.

Dass Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen bisher keine Kontrollen im Rahmen der Schleierfahndung zulassen, nannte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der »Rheinischen Post« eine »eklatante Sicherheitslücke, die unbedingt geschlossen werden muss«. Von Schleierfahndung ist umgangssprachlich die Rede, wenn Polizisten Passanten oder Reisende ohne konkreten Verdacht anhalten, durchsuchen und Personalien kontrollieren dürfen.

Ulbig hält auch in puncto Telekommunikationsüberwachung Verschärfungen »für wichtig und dringend geboten«. Dabei müssten die Strafverfolgungsbehörden Zugriff auch auf verschlüsselte Messenger-Dienste wie WhatsApp erhalten. Dieser Forderung stimmte Berlins Innensenator zu. »Ich bin immer sehr für Augenmaß bei Bewahrung der Bürgerrechte. Aber wenn es um Verfolgung von Terroristen geht, müssen wir alle technischen Möglichkeiten nutzen dürfen«, sagte Geisel.

Ablehnung von Messenger-Überwachung vom Branchenverband Bitkom

Der Hauptgeschäftsführer des Digitalverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder, hat davor gewarnt, die Datenschutz-Bemühungen von Unternehmen wie WhatsApp »leichtfertig« aufs Spiel zu setzen.

Rohleder sagte am Dienstag im rbb-Inforadio, »unsere Unternehmen tun alles dafür, um Vertrauen (...) wieder herzustellen und bieten genau deshalb diese Ende-zu-Ende-Verschlüsselung an«. Es gehe dabei nicht vorrangig darum, Sicherheitsbehörden den Zugriff zu erschweren, sondern vor allem darum die Kommunikation »vor Cyber-Kriminellen, vor organisierter Kriminalität« zu schützen.

»Da sollten wir schon genau überlegen, wie wir die Balance schaffen zwischen einem Mehr an Sicherheit durch solche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und einem Weniger an Sicherheit durch neue Einfallstore, wie sie jetzt gefordert werden.« Man müsse das verfassungsrechtlich geschützte Gut der Telekommunikation erhalten und »nicht leichtfertig durch neue Maßnahmen der Telekommunikations-Überwachung riskieren«. Agenturen/nd