nd-aktuell.de / 15.06.2017 / In Bewegung

Steife Brise, harte Zeiten, feministisch gegen G20 fighten

Auch aus geschlechterpolitischer Perspektive lohnt es sich, gegen das Gipfeltreffen auf die Straße zu gehen.

Sarah Rambatz
Sticker der "Queer-feminist resistance against G20"
Sticker der "Queer-feminist resistance against G20"

Queerfeministische Bewegungen sollten sich an den Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg beteiligen, meint Sarah Rambatz, Bundessprecherin der linksjugend ['solid]. Gründe dafür gibt es viele: Menschenrechtsverletzungen an LGBTTIQ in Russland, die Saudi-Arabien Politik der Bundesregierung und nicht zuletzt die fortwährende Diskriminierung abweichender Identitätspositionen in Deutschland.

Die Gruppe der Zwanzig ist ein seit 1999 bestehender Zusammenschluss aus 19 Staaten und der Europäischen Union. Zusammen bilden sie die G20. Sie sind ein informeller wirtschaftlicher Zusammenschluss aus Industrie- und Schwellenländern. Ihre Zielsetzung lässt sich folgendermaßen beschreiben: Sicherung der Finanzmarktstabilität und Verhinderung von Finanzkrisen. Neben den oben genannten Staaten gibt es weitere Teilnehmer*innen, die regelmäßig den Treffen der G20 beiwohnen: der Vorsitz der Europäischen Zentralbank[1], der (Managing Director) des Internationalen Währungsfonds[2] und andere Größen aus dem Wirtschafts- und Finanzwesen. Es gibt viele Gründe, die G20 zu kritisieren: Entgegengesetzt der Zielsetzung der G20 traf im Jahr 2007 die globale Finanzkrise ein. Die gleichberechtigte Repräsentanz aller Länder, wie bei der Organisation der Vereinten Nationen (UNO), ist durch die willkürlichen Auswahl der 19 Staaten nicht gegeben. Die G20 unterliegen keinerlei Rechenschaftspflicht und viele der G20-Staaten führen Krieg. In diesem Beitrag möchte ich mich aus queerfeministischer Perspektive einigen oft unterbelichteten Aspekten in der Debatte um die G20 widmen.

Menschenrechtsverletzungen an LGBTTIQ*

Weltweit werden nach wie vor Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert. Die jüngsten Ereignisse machen uns schmerzlich bewusst, wie präsent diese Gefahr noch immer ist: Seit Wochen wird über die Folter, Tötung und Verschleppung von mehreren hundert Menschen in der russischen Teilrepublik Tschetschenien berichtet. Das genaue Ausmaß dieser Aktionen ist noch immer nicht abzuschätzen. Hilfsorganisationen versuchen derzeit, Betroffene aus der Gefahrenzone herauszubringen. Während dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Empfang zu dem G20-Gipfel in Hamburg bereitet wird, nehmen Deutschland, Frankreich und Litauen homosexuelle Flüchtlinge aus Russland mit einem Visum aus dringenden humanitären Gründen auf und Journalist*innen müssen nach massiven Drohungen fliehen.

Deutsche Appeasement-Politik

»Saudi-Arabien ist sehr daran interessiert, dass die deutsche Wirtschaft hier auch ihren Beitrag leistet«, sagte Merkel während eines Besuches im Königreich. Die wirtschaftliche enge Zusammenarbeit steht im Fokus mit einem Land in dem homosexuelle Handlungen strafbar sind und bis zur Todesstrafe führen können. Die weibliche Kanzlerin knüpft Wirtschaftsverträge mit einer Monarchie, in der es Frauen verboten ist, alleine zum Arzt zu gehen oder Auto zu fahren. Ein Land, in dem Frauenrechtler*innen für ihr Engagement inhaftiert werden. Derweil beklagt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zunehmende Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien mit den Worten: »Wir sehen einen negativen Trend«. Deshalb sollte es uns zu denken geben, wenn G20-Entscheidungen großen Einfluss auf UN-Beschlüsse haben.

Die »Ehe für alle« ist überfällig!

Kommen wir zu Deutschland. Auch hierzulande werden bi-, homo- und trans*geschlechtliche Menschen noch heute diskriminiert. Trans- und Inter*geschlechtlichkeit gelten medizinisch nach wie vor als Krankheiten. Solange eine heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit stillschweigend ein Maßstab politischer Entscheidungen, juristischer Rahmensetzungen und kultureller Debatten bleibt, werden sexuelle und geschlechtliche Ausgrenzung reproduziert. Alltagssexismus und sexualisierte Gewalt gegen Frauen, Lesben, Trans* und Inter*personen (FLTI*) bleiben weltweiter Konsens. Gesetzliche Gleichstellung heißt also noch lange nicht gesellschaftliche Gleichberechtigung. Für Beziehungskonstellationen jenseits der heteronormativen Partner*innenschaft ist es bisher nicht möglich, eine Eheschließung einzugehen. Eine mögliche Konsequenz kann nur die Ehe für alle sein.

Gemeinsam für die Gleichberechtigung aller Menschen

Durch das Ausrichten des G20 Gipfels am 07.07. - 08.07.2017 in den Messehallen in Hamburg bietet Deutschland Regierungen wie z.B. der Türkei oder Indien ein Podium. Beides Länder, die für ihren rigiden Kurs in Gleichstellungsfragen bekannt sind. Die Ausrichtung des Gipfels in Hamburg bietet den Boden für das Aussetzen der Versammlungsfreiheit und gefährden Anwohner*innen durch mögliche Anschläge. Wir, die linksjugend ['solid], rufen dazu auf, mit einem bunten, solidarischen und gemeinsamen Protest gegen Homo-, Trans-, Bi-, Inter*-, Frauen- und Queer*feindlichkeit und für die Gleichberechtigung aller Menschen einzutreten. Liebe kennt kein Geschlecht und sollte dahingehend nicht verurteilt, sanktioniert oder abgewertet werden. Wir kämpfen für die Akzeptanz der unterschiedlichen Lebensweisen und der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt in der Gesellschaft. Wir setzen uns für soziale Gerechtigkeit und individuelle Freiheit ein. Und tragen diese Forderungen zu dem G20-Gipfeltreffen auf die Straße.

Links:

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Europäische_Zentralbank
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Währungsfonds#Gesch.C3.A4ftsf.C3.BChrende_Direktoren