nd-aktuell.de / 19.06.2017 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 10

Arbeitskampf in New Yorker Kliniken

Aktivistin Marsha Niemeijer über den Feldzug von Fresenius gegen Gewerkschaften und soziale Rechte in den USA

Seit drei Jahren verhandeln Sie mit Fresenius über einen neuen Tarifvertrag. Was fordern Sie?

Wir fordern höhere Löhne, eine Neuverhandlung der Altersversorgung und vor allem die Wiedereinführung der sogenannten Bewährungsaufstiege, die an der Arbeitserfahrung der KrankenpflegerInnen anknüpfen. Zudem muss dringend mehr Pflegepersonal eingestellt werden.

Warum kommen Sie bei den Verhandlungen nicht voran?

Fresenius beklagt, in New York City nicht gewinnbringend zu wirtschaften. Wir haben deshalb im Laufe der Verhandlungen Zugeständnisse gemacht, in der Hoffnung, dass Fresenius sich dadurch kooperativer zeigt. Wir haben auf Lohnerhöhungen verzichtet - die letzte gab es vor sechs Jahren - und einer Heraufsetzung des Betreuungsschlüssels zugestimmt. Dadurch betreut eine Pflegekraft nun nicht mehr neun PatientInnen, sondern zwölf. Dennoch ist Fresenius den Gewerkschaften in keiner Weise entgegengekommen.

Deshalb nun Streik?

Fresenius geht es nur um Profit. Wir sind nun auch nicht länger bereit, an den Zugeständnissen festzuhalten.

Welche Pläne verfolgt das Unternehmen?

Fresenius ist der zweitgrößte Betreiber von Dialyse-Kliniken in den Vereinigten Staaten. Allein in New York gibt es sieben, eine neue Megaklinik entsteht gerade. Vier der sieben Kliniken sollen in das neue Gebäude umziehen. Als Gewerkschaften hatten wir die Zusage, auch in der neuen Klinik die Rechte der ArbeitnehmerInnen vertreten zu können. Im Laufe der Verhandlungen stellte sich heraus, dass Fresenius die neue Klinik gewerkschaftsfrei halten will.

Das bedeutet?

Im Gegensatz zu Deutschland reicht es in den USA nicht aus, Gewerkschaftsmitglied zu sein. Um als Gewerkschaft in einem Betrieb aktiv werden zu können, muss die Belegschaft in einer Urabstimmung über die Zulassung der Gewerkschaft entscheiden. Im Staat New York befinden sich landesweit die einzigen Fresenius-Kliniken, in denen Gewerkschaften überhaupt zugelassen sind. Dass heißt, allgemein betrachtet geht der Organisierungsgrad gegen Null. Mit dem schicken, modernen Neubau ergibt sich für Fresenius die Möglichkeit, die Kliniken, in denen es bisher gewerkschaftliche Organisierung gibt, dichtzumachen und die Gewerkschaften in der neuen Klinik nicht anzuerkennen.

Welche Konsequenzen hätte das für die Beschäftigten?

Wer in den USA nicht gewerkschaftlich organisiert ist, hat nahezu keine Rechte als ArbeitnehmerIn. Du kannst von heute auf morgen auf die Straße gesetzt werden, ohne wirklichen Grund. Daher bezeichnen wir die Strategie des Unternehmens als Unionbusting: Es will die gewerkschaftliche Organisierung in seinen Kliniken zerschlagen. Wenn es keine Gewerkschaft mehr gibt, kann das Unternehmen tun, was es will. Ohne den Schutz der Gewerkschaft würde kaum eine KrankenpflegerIn mehr ihren Mund aufmachen und sich für ihre Rechte, geschweige denn für das Wohl der PatientInnen einsetzen.

Sie haben gerade 24 Stunden lang gestreikt. Hat das etwas bewirkt?

An dem Streik beteiligten sich etwa 400 KrankenpflegerInnen, technische Angestellte und SozialarbeiterInnen. Fresenius hat an diesem Tag sämtliche Kliniken für die PatientInnenversorgung geschlossen und bereits zuvor die Verhandlungsgespräche abgebrochen. Wir hatten Streikposten vor allen Kliniken, haben lautstark auf unsere Anliegen aufmerksam gemacht und dem Unternehmen gezeigt, dass wir auch weiterhin gemeinsam kämpfen werden. So lange, bis unsere Forderungen erfüllt sind.