nd-aktuell.de / 22.06.2017 / Kultur / Seite 14

Ein Pottwal für Amrum

Riesenskelett wird für neue Ausstellung präpariert

Birgitta von Gyldenfeldt, Norddorf auf Amrum

In einem ehemaligen Schwimmbecken in Norddorf auf der Nordseeinsel Amrum stehen alte Schultische und Werkbänke. Darauf liegen Gewindestangen, Schraubendreher, Akkuschrauber. Auf der Fensterbank und am Beckenrand stapeln sich riesige Knochenreste. Auf dem Beckenboden steht ein Metallständer, darauf liegt schon ein halb fertig aufgebautes Pottwalskelett. Das Knochengerüst eines 2016 in der Nordsee vor Helgoland verendeten Jungbullen soll der Mittelpunkt einer Walausstellung im Naturzentrum Amrum werden.

Rückblende: Anfang 2016 stranden 30 junge, männliche Pottwale an den Küsten von Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich. Allein 16 Kadaver treiben in der deutschen Nordsee an. Nach mehreren Tagen haben Verwesungsgase die massigen Körper aufgebläht, sie drohen zu explodieren. Viele tote Körper landen in der Tierkörperverwertungsanstalt; einige der Skelette werden präpariert und in Museen oder Naturzentren wie hier auf Amrum ausgestellt.

Präparator Reenhard Kluge steht im ehemaligen Einschwimmbecken des Bads. Mit dem Fortschritt der Aufbauarbeiten ist der Experte aus Bremerhaven zufrieden: »Das ist ein gutes Skelett.« Seit rund fünf Wochen arbeiten Kluge und seine Frau Heidrun Strunk an dem Skelett. Normalerweise werden die Skelette an der Decke aufgehängt. In diesem Fall muss das Skelett aber auf einem Ständerwerk stehen. »Das macht es ein bisschen schwieriger«, sagt Kluge. Aber: Der Architekt traut dem Hallendach das Gewicht des Skeletts nicht zu. Allein der Kopf des gut elf Meter langen Knochengerüsts wiegt mehr als 750 Kilogramm.

Der etwa drei Meter lange Kopf musste zuerst aufgestellt werden. »Das war ziemliche Millimeterarbeit«, sagt der Leiter des Naturzentrums, Henning Volmer. »Der Schädel hätte keine 20 Zentimeter länger sein dürfen.«

Vom Schädel arbeitet sich das Präparatoren-Duo Wirbel für Wirbel nach hinten, bevor Brustbein, Rippen und andere Knochen angebracht werden. Kluge steht auf einer Leiter, eine Bohrmaschine in der Hand. »Jetzt wird's lauter«, sagt er. Er will weitere Gewindestangen befestigen, die die Einzelteile zusammenhalten.

Eine Fähre brachte das zerlegte Knochengerüst im Herbst 2016 auf die Insel. Viele Freiwillige halfen, die Knochen zum ehemaligen Norddorfer Schwimmbad zu bringen, wo die neue Ausstellung über das Leben der Wale und den nordfriesischen Walfang im 17. und 18. Jahrhundert entstehen soll. Volmer hofft, die Schau im Herbst eröffnen zu können.

Bis dahin ist aber noch einiges zu tun: Erst wenn das Skelett vollständig steht, kann der Rest der Ausstellung darum herum gebaut werden. Sie soll beispielsweise über den Walfang und die Biologie der Wale informieren. Kurzfilme und Videos über das Stranden und Zerlegen der riesigen Tiere vor eineinhalb Jahren sollen gezeigt werden, eine Unterwasserprojektion von Pottwalen über die Rückwand der Halle flimmern. Insgesamt kostet das Projekt rund 300 000 Euro. Etwa die Hälfte der Kosten wird von verschiedenen Trägern gefördert. Der Rest muss unter anderem aus Spenden finanziert werden.

Ein Teil des Skeletts werden die Besucher allerdings nicht in der Ausstellung sehen. Die Zähne des Wals sind nur Nachbildungen. Die echten aus Elfenbein liegen im Safe. dpa/nd