nd-aktuell.de / 24.06.2017 / Wissen / Seite 26

Erwärmung macht Fugu gefährlicher

Kugelfische entfalten ein tödliches Nervengift. Bislang garantiert die Ausbildung der Köche, dass der Verzehr kein Risiko ist. Doch der Klimawandel könnte das ändern. Von Susanne Steffen

Hiroshi Takahashi von der Nationalen Fischereiuniversität war geschockt. Drei Jahre lang hatten er und sein Team Kugelfische vor der Küste Nordostjapans untersucht. Mit maximal einem Prozent Hybriden - Kreuzungen verschiedener Kugelfischarten - hatten die Forscher gerechnet. Doch mehr als die Hälfte der gefangenen Tiere erwiesen sich als potenziell gefährliche Hybride. Bei jeder Kugelfischart konzentriert sich ein Nervengift in einem anderen Organ. Während bei einigen nicht essbaren Arten der gesamte Fisch ein auch für Menschen bereits in geringer Dosis tödliches Nervengift enthält, sind bei anderen Arten lediglich einige Organe wie Leber oder Eierstöcke betroffen. Werden die sachgerecht entfernt, sind die Tiere gefahrlos verzehrbar.

Zwar fanden die Forscher hauptsächlich Kreuzungen zwischen zwei essbaren Arten, bei denen lediglich Leber und Eierstöcke giftig sind. »Doch das bedeutet nicht, dass bei den Mischlingstieren das Gift an der gleichen Stelle ist«, warnt Takahashi.

Traditionell sondern Fischer und Großhändler jene Tiere aus, die sich keiner essbaren Fugu-Art zuordnen lassen. Doch das werde schwieriger, fürchtet Takahashi. Es gebe keine äußerlichen Merkmale, anhand derer Mischlinge eindeutig festgestellt werden können. Auch sein Team habe bei der Sichtkontrolle einen kleinen Prozentsatz von Hybriden falsch eingeordnet. Erst bei anschließenden DNA-Tests hätten sie diese korrekt erkannt. Bei einem Fischhändler könnte dieser Fehler tödliche Konsequenzen haben.

»Wir dürfen uns nicht mehr nur auf das geschulte Auge von Experten verlassen«, fordert der Fischereibiologe. »Wir müssen dringend wissenschaftliche Methoden entwickeln, um Hybride zu identifizieren«, so der Forscher.

Dass es sich bei den überraschend vielen Mischlingstieren um ein vorübergehendes Phänomen handelt, scheint unwahrscheinlich. Ungewöhnlich hohe Wassertemperaturen hätten dazu geführt, dass eine im Japanischen Meer ansässige Fugu-Art ihren Lebensraum in Richtung Norden ausgedehnt habe, wo sie auf eine im Pazifik heimische Art getroffen sei. Auch in anderen Regionen Japans haben Forscher bereits ähnliche Migrationen von Kugelfischen beobachtet. Das Problem dürfte also bleiben.

Noch gibt es allerdings keine Meldungen über tödliche Unfälle beim Zubereiten von Mischlingskugelfisch. Laut der Statistik des Gesundheitsministeriums gab es im vergangenen Jahr 17 Fälle von Lebensmittelvergiftungen, an denen Kugelfische schuld waren. Insgesamt erlitten 31 Menschen Kugelfischvergiftungen. Alle Opfer überlebten.