nd-aktuell.de / 24.06.2017 / Politik / Seite 24

Am Anfang waren die Bettelorden

Bildungsrauschen

Lena Tietgen

Es ist schwer, den Begriff Studium generale zu fassen, denn er unterliegt keiner eindeutigen Definition. Das erste Mal taucht er im 13. Jahrhundert auf. Der Historiker Kaspar Elm ist mit seinem Aufsatz »Studium und Studienwesen der Bettelorden« den Anfängen des Studium generale nachgegangen und stellt fest, dass dieses seinen Vorlauf im mendikantischen Studienwesen des frühen und hohen Mittelalters hat. Abgeleitet aus dem Latein: mendicare gleich betteln, versteht man darunter das Studium der Bettelorden in Kathedral-, Kloster- und Stiftsschulen. Die bekanntesten und noch heute existierenden sind die Franziskaner und Dominikaner. Diese Studienangebote erwuchsen aus dem Bedarf, die allseits »bedrohte Christenheit zur Erkenntnis der Wahrheit und Erlangung des Heils nicht nur durch vorbildliches Leben, sondern auch durch wissenschaftliche Kompetenz legitimierten Predigt« zu führen. Ihren Ausgangspunkt nahmen sie 1219 in Paris. Dort gestattete die schon bestehende Universität, Ordensleuten des Dominikus Theologie zu studieren. Geraume Zeit später gründeten sie den ersten dominikanischen Studienkonvent.

Dieses Verfahren, Ordensleute an der Universität für den eigenen Bedarf des eigenen Konvents auszubilden, sei zunächst unproblematisch gewesen, schreibt Elm. Doch der wachsende Bedarf führte zu Spannungen zwischen Universität und dem Dominikanerorden. 1246 beschloss dieser, »vier neue studia generalia in den Provinzen Lombardia, Anglia, Provincia und Theutonia« zu eröffnen, mit je zwei Studierenden aus den Provinzen. Mit dieser Ausbreitung wuchs auch Köln neben Bologna, Montpellier und Oxford zu einem »Zentrum dominikanischer Gelehrsamkeit«.

Anders als den Dominikanern fehlte es den Franziskanern an »Entschiedenheit«. Elm sieht den Grund in der Weigerung ihres Gründers, Franz von Assisi, um 1221 das Studienhaus von Bologna »zu betreten«, war dieses doch in seiner Abwesenheit von einem »zum Minoriten gewordenen Magister« eröffnet worden, und damit von einem Abtrünnigen.

Trotz allem ging es voran. In den 30er Jahren des 13. Jahrhunderts konnte in Paris, Oxford und Cambridge die »erste franziskanische Gelehrtengeneration« ihre Lehrtätigkeit aufnehmen. Bereits 1260 vereinbarten die Franziskaner mit den Dominikanern, in »jeder Provinz ein Generalstudium« einzurichten. So entstand bis Ende des 14. Jahrhunderts, dem Zenit der Entwicklung, ein Netz mit Einrichtungen in Köln, Erfurt, Magdeburg, Straßburg, Wien und Prag. Charakteristisch für das damalige Studium generale ist das breit angelegte Einzugsgebiet und der gemeinsame Kanon, der Ordensleute zu Lektoren oder Lizentiaten ausbildete, damit diese als Prediger und Lehrer an den Konventen arbeiten konnten. Parallel existierte das Studium Provinziale oder Partikulare, dessen Einzugsgebiet klein und konkret war. Hier stehe, so Elm, die Forschung aber noch am Anfang. Lena Tietgen

Kaspar Elm: Studium und Studienwesen der Bettelorden. Die »andere« Universität?, Quelle: mgh-bibliothek.de/ dokumente/b/b069520.txt