nd-aktuell.de / 24.06.2017 / Berlin / Seite 14

Es darf wieder gespielt werden

Anwohner der Gudvanger Straße und Bezirksamt einigen sich vor Gericht

Peter Kirschey

Heftig hatte man sich in den vergangenen Jahren gestritten, die Meinungen schienen unversöhnlich auseinander zu gehen und ein Kompromiss nicht möglich. Irgendwie fühlten sich alle missverstanden, wenig informiert und in die falsche Ecke gestellt. Nun hat man sich auf eine Lösung verständigt. Alle Seiten - die klagenden Anwohner, das Bezirksamt Pankow, die Initiative »temporäre Spielstraße« sowie Kinderhilfswerk und die Kammer des Verwaltungsgerichts - zeigten sich am Freitag mit dem Resultat zufrieden.

Es begann im Frühjahr 2015, als ein Teilstück der Gudvanger Straße in Prenzlauer Berg einmal wöchentlich für den Autoverkehr gesperrt wurde und die Kinder die Straße für sich eroberten. Ein Modellprojekt, wo Kinder anders spielen und toben durften als auf den sonst üblichen Spielplätzen. Aus dem Modell sollte nach dem Willen des Bezirksamtes ein Dauerläufer werden. Doch dagegen regte sich Anwohnerprotest. Und dieser mündete schließlich in eine Klage. Die Veranstaltung schlummerte sanft ein. Nachdem die Anwohner kein Interesse mehr an der Klage zu haben schienen und den Rechtsstreit für beendet erklärten, wollte nun das Bezirksamt genau wissen, wie künftig zu verfahren sei. Somit wurde der Fall jetzt weiterverhandelt.

Beide Seiten argumentierten mit unterschiedlichen Zahlen: Von 90 Prozent Zustimmung zur Spielstraße bis zu 90 Prozent Ablehnung reichten die Angaben. Eine richtige Spielstraße sei es auch nicht gewesen, argumentierten die Kläger. In der Praxis hätten die Kindergärten ihre Stühle und Tische auf die Straße gestellt und so einfach nur ihre Flächen erweitert. Viel mehr sei nicht passiert. Außerdem hätten die Kinder diese Art des Freiraums gar nicht angenommen. Insofern sei die Sperrung - außer für die Kitas - sinnlos gewesen. Spielplätze gebe es in der Umgebung genügend, bei dem Projekt handle es sich um eine unzulässige Umwandlung einer öffentlichen Straße zur Spielstraße. Außerdem fühlten sich die Anwohner vom Bezirksamt hintergangen und schlecht informiert. Deshalb sei der Widerstand eskaliert. Man habe sich geärgert, dass man in der »Öffentlichkeit als kinderhassende Autoliebhaber« dargestellt wurde. »Wir sind vor allem Fahrradfahrer und haben Kinder. Insofern sind alle Vorwürfe aus der Luft gegriffen«, betonte eine Klägerin. Die Idee sei im Prinzip gut, doch man könne so etwas nur mit und nicht gegen die Anwohner realisieren. »Wir empfanden es als Bestrafung.«

Das Bezirksamt räumte Kommunikationsfehler ein, verteidigte aber vehement die Idee einer tageweisen Spielstraße in den Sommermonaten. In dem Kiez leben rund 14 000 Einwohner und die Möglichkeiten des Spielens für Kinder seien sehr begrenzt. Deshalb sei dieses Projekt ein zusätzliches Angebot für die Freizeit. Auf die Frage, warum ausgerechnet die Gudvanger Straße für dieses Experiment ausgewählt wurde, konnte niemand eine befriedigende Antwort geben, denn auch bei jeder anderen Straße wäre man auf Befürworter und Gegner gestoßen.

Das Gericht stellte dann auch noch einmal klar: Eine Straße einfach sperren und die Kinder dann laufen lassen, ist keine Lösung. Wenn die »temporäre Spielstraße« einem Straßenfest oder einer Veranstaltung gleichgestellt werden will, dann muss auch ein Programm ersichtlich sein.

Die nun vor Gericht erzielte Einigung sieht die Möglichkeit der »temporären Spielstraße« an jeweils einem Tag in den Sommermonaten vor. Ausgenommen wegen der Ferienzeit ist der August. Jeweils von 14 bis 18 Uhr solle die Straße für den Autoverkehr gesperrt werden. Zur Vereinbarung gehört, dass die Anwohner rechtzeitig vom Bezirksamt informiert werden und eine Art Veranstaltungsprogramm für den jeweiligen Tag erkennbar ist. Damit waren die streitenden Parteien unter dem Strich zufrieden.

Besonders erfreut zeigte sich am Ende die Richterin. »Hätten wir entscheiden müssen, dann hätten wir es mit einem Berg von Gesetzen und Vorschriften zu tun gehabt, die wir hätten berücksichtigen und abwägen müssen«, erklärte sie. Das hätte einen längeren Rechtsstreit zur Folge gehabt.