nd-aktuell.de / 28.06.2017 / Berlin / Seite 9

Lichtenberger Mieterinnen wollen weiter gegen Räumung vorgehen

Linksradikales Bündnis beklagt systematische Entmietungen

Jana Klein

Eine Güteverhandlung vor dem Lichtenberger Amtsgericht über eine Räumungsklage ist am Dienstag ohne Einigung ausgegangen. In dem Verfahren wollte ein Wohnungseigentümer das Ende eines 2016 ausgelaufenen Mietverhältnisses durchsetzen. Doch die Vermieterinnen fühlten sich über die gesetzte Frist getäuscht und antworteten ebenfalls mit einer Klage.

Ein vom Richter Robert Pragst vorgeschlagenes Angebot von 10 000 Euro und drei Monaten Auszugsfrist schlugen die Mieterinnen aus. Ihr Vorwurf: Der angemeldete Eigenbedarf durch eine Lebensgefährtin des Eigentümers sei erfunden. Das wollen sie in einem ordentlichen Prozess auch nachweisen. Der Vermieter habe in mehreren Objekten Eigenbedarf mit teilweise denselben Personen angemeldet. Außerdem soll er öffentliche Fördergelder für sein Haus in der Pfarrstraße kassiert, im Fördervertrag enthaltene Begrenzungen der Mietensteigerung aber nicht eingehalten haben. Und: Der Eigenbedarf, der als Befristungsgrund gilt, sei der Untermieterin der Hauptmieterin nicht schriftlich angezeigt worden. Das verlangt das Gesetz allerdings. Aus diesem und anderen Gründen rechneten sich die Mieterinnen Chancen aus, den Prozess um die Räumungsklage zu überstehen.

Tatsächlich regte der Richter zunächst einen Vergleich über 1700 Euro und ein neues Ende des Mietverhältnisses zum April 2018 an. Darauf ließen sich die betroffenen Mieterinnen aber nicht ein. Als der Richter bei 10 000 Euro und Auszug in drei Monaten angekommen war, warf Untermieterin Josefin H. ihm entnervt entgegen: »Das ist hier nicht das Thema!« Mit Blick auf die etwa ein Dutzend Unterstützer vom linksradikalen Bündnis »Zwangsräumungen verhindern« versuchte Richter Pragst erneut, die Mieterinnen zur Annahme zu bewegen: »Lassen Sie sich nicht von irgendwelchen Interessenvertretungen instrumentalisieren.« Und: »Die wollen immer Bambule.«

Trotz geringer Chancen und der Erklärungen des Richters bestanden die Mieterinnen auf ihren Standpunkt. Statt einem Auszug im April 2018 zuzustimmen, wolle man sich bis zum nächsten Frühjahr lieber bis in die zweite Instanz klagen, sagte der Anwalt der räumungsbedrohten Mieterinnen, Gregor Lethen. Er forderte, die Lebensgefährtin des Vermieters solle in einem solchen Verfahren auch vorgeladen werden. Den Vorwurf der Betroffenen, er würde systematisch Entmietungen über gefälschte Eigenbedarfe durchsetzen, bezeichnete der Vermieter vor Gericht als Verschwörungstheorie. Sein Anwalt sprang dem Vermieter bei, es würde sich nicht um reiche Leute handeln.

Über die Fortführung der gerichtlichen Auseinandersetzung freuten sich im Anschluss an die Verhandlung die Mietaktivisten. Man unterstütze jede Entscheidung von Mietern und instrumentalisiere sie nicht. Es bestehe die Chance, gegen einen Vermieter vorzugehen, der systematisch Mieter herausgeklagt habe, um später teurer neu zu vermieten, hieß es.