nd-aktuell.de / 29.06.2017 / Politik / Seite 5

Friedenspartei ohne Wissen und Gewissen

SPD eiert um Rüstungsprojekt Heron-TP herum und Kanzlerkandidat Schulz hat keine Ahnung vom deutschen Anteil am Drohnenkrieg der USA

René Heilig

Der Haushaltsausschuss sollte noch rasch vor Toresschluss der schwarz-roten Koalition Geld locker machen, damit die Bundeswehr sich SAATEG leisten kann. Hinter der Abkürzung steht ein »System zur Abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes«. Da das nicht griffig klingt, nennt man die Dinger »bewaffnungsfähige Drohnen«. Um den Begriff »Kampfdrohnen« zu vermeiden. Denn dieses Wort weckt Assoziationen zu den globalen US-Mordeinsätzen.

Es ist seit Jahren klar: Das deutsche Verteidigungsministerium will von Israel für eine Milliarde Euro fünf Heron-TP-Systeme anmieten, die man in Auslandseinsätze schicken kann. Im Unterschied zu den bisher in Afghanistan eingesetzten »Heron«-Drohnen können die neuen Modelle auch mit Raketen bestückt werden.

Nicht mit uns, plusterte sich dieser Tage die SPD auf. Die Voraussetzungen für die Beschaffung seien nicht erfüllt, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und behauptete, man lehne die Anschaffung von Kampfdrohnen ab. Der Grund?

Die SPD geht »über die Dörfer«, um Stimmen für die Bundestagswahl zu fangen. Dafür gibt man sich sogar als Friedenspartei aus. Was zugleich bedeutet, bisherige Entscheidungen schlicht zu vergessen. Das macht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) richtig sauer. Sie warf dem Koalitionspartner Doppelzüngigkeit vor. »Herr Oppermann verschweigt, dass die SPD im Bundestag bereits im Sommer 2016 der Entwicklung einer bewaffnungsfähigen Eurodrohne zugestimmt hat, und zwar nach einer breiten zweijährigen Debatte mit reger Beteiligung auch der SPD«, kritisierte von der Leyen, die nun mehr Geld denn je hat, um es in die Beschaffung und Modernisierung auch von Waffensystemen zu stecken. Das hat mit der Ausgabensteigerung zu tun, die die NATO auf US-Geheiß allen Mitgliedsstaaten verordnet hat. Es geht um zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die fürs Militär ausgegeben werden sollen. Egal, was der aktuelle Außenminister Sigmar Gabriel nun unverbindlich davon hält, sein Vorgänger und SPD-Kollege Frank-Walter Steinmeier hat der NATO-Forderung zugestimmt.

Davon war jedoch nicht die Rede, als Kanzlerkandidat Martin Schulz am Dienstag im Hause der Bundespressekonferenz sämtliche SPD-Minister versammelte, um die Erfolge roter Koalitionsarbeit aufzubauschen. Vom Veranstalter ungewollt kam das Thema Drohnen auf den Tisch. Dabei begründete der SPD-Fraktionsvorsitzende Oppermann die Ablehnung der Heron-TP-Beschaffung auch damit, dass die im Koalitionsvertrag zwischen Union und Sozialdemokraten vereinbarte intensive, breit angelegte Debatte über militärische, völkerrechtliche und sonstige Voraussetzungen des Einsatzes bewaffneter Drohnen so nicht stattgefunden habe. Im Detail richtet sich der Widerstand gegen die TP-Erstbewaffnung und die damit verbundene Zertifizierung der Drohnen als Waffensystem. Ohne Raketen macht der Flieger keinen Sinn. Das Problem wurde am Mittwochabend vermutlich bis weit in die kommende Legislaturperiode verschoben. Nicht aber aufgehoben.

Die Verzögerung lässt die US-Firma General Atomics Morgenluft wittern. Sie stellt das Heron-Konkurrenzmodell Reaper her und hat gegen den Pro-Israel-Zuschlag geklagt. Am Dienstag schrieben Anwälte der Firma einen eiligen Brief an das Parlament. In dem werden die juristischen Barrieren, die General Atomics beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen das Israel-Projekt erstritten hat, nachdrücklich dargestellt: Ohne Bewaffnungen wäre eine Neuausschreibung des Projektes notwendig. Zugleich kündigte die Bundesregierung eine geänderte Drohnenvorlage an.

Martin Schulz hatte gerade erst im »Spiegel« versprochen, die SPD werde für eine Eindämmung der US- Drohneneinsätze eintreten. Bei der SPD-Präsentation am Dienstag fragte der Journalistenkollege Tilo Jung den Kandidaten Schulz, wie er denn mit der US-Basis Ramstein umgehen wolle, die als Relaisstation für US-Killereinsätze unverzichtbar ist. Offenkundig hörte Schulz davon zum ersten Mal. Oppermann sekundierte, dass sich die SPD »mit der Frage im Moment nicht beschäftigt«. Sie müsse in NATO-Gremien besprochen werden. Schulz schob entrüstet nach, Deutschland sein »nicht Teil des Drohnenkrieges« der USA.

Dass das Auswärtige Amt dies aber eingestanden hat, stellte dessen Chef Gabriel dann in Abrede und bot eine Wette an. Die er verliert, denn sein Staatsminister Michael Roth hatte vor dem Plenum tatsächlich zugegeben, dass von Ramstein aus zahlreiche derartige Luftoperationen geplant und überwacht werden. Genau so, wie es Zeugen vor dem NSA-Untersuchungsausschusses erläutert hatten.