nd-aktuell.de / 01.07.2017 / Wissen / Seite 24

Dezentralisierung und Schwarmintelligenz

Bildungsrauschen

Lena Tietgen

Ein Stichwort, das beim Thema Digitales Lernen immer wieder fällt, ist Blockchain. Bekannt ist die Blockchain-Technologie aus dem Zahlungsverkehr mit Bitcoin oder Ethereum als »quasi endlose Kette digital verbundener Kassenbücher«. (zeit.de) Die Informatikerin Shermin Voshmgir, Gründerin des Think Tanks und Informations-Hub (Informationsknotenpunkt) BlockchainHub, sieht in dieser Technologie einen Sprung in das Zeitalter des dezentralen Web 3.0. (blockchainhub.net) Zur Erinnerung: Web 1.0 digitalisierte die Informationsverarbeitung, 2.0 die Interaktion. Mit ihm entstanden Social Media, Sharing Economy und Marktplätze. Es ermöglichte eine Peer-to-Peer-Kommunikation mittels eines Servers oder einer Plattform, die die Funktion hat, Spielregeln des Austauschs und Transaktionen zu definieren und alle Daten zu speichern. Die bekannteste Plattform ist Facebook. Blockchain erlaubt nun eine Peer-to-Peer-Kommunikation ohne Server und Plattform als Mittler und Speicher. Damit wird Kommunikation und Transaktion wesentlich dezentralisiert.

Obwohl diese Entwicklung noch in ihren Anfängen steckt, wird daran gearbeitet, sie in der Wissenschaft einzusetzen. »Blockchain for Science« heißt der Modellversuch, den Shermin Voshmgir begleitet. Ziel ist es, das herkömmliche Peer-Review (Gutachtensystem) durch Blockchain abzulösen. Dokumente werden hierzu online gestellt und von anderen beurteilt. Dabei werde, so Voshmgir, ein sogenannter Smart Contract die Reviewer selbst bewerten. Hierbei handele sich um einen automatischen Code, in dem vorab die »Spielregeln einer Transaktion« festgelegt wurden und als »einfache Wenn-Dann-Regeln« dargestellt werden. Gewertet wird unter anderem die Zahl der Urteile, die ein Reviewer bereits abgegegeben hat oder, dass nur Menschen mit Universitätsabschluss urteilen dürfen.

Auf hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog erläutert Voshgmir das Verfahren anhand eines fiktiven Beispiels. Jemand registriert sich auf einer »Research Gate 3.0« genannten Plattform und stellt seine Vita oder Bibliografie ein. Automatisch wird er anschließend von dem »Smart Contract« verifiziert, der ihn dann freischaltet, so dass er auf das zu beurteilende Dokument zugreifen kann. Und zwar »ohne dass Daten zentral bei den Betreibern einer Plattform abgespeichert« werden, wie Voshgmir betont. Danach wird die Beurteilung »automatisch publiziert«.

Zur Frage der Überprüfung angegebener Zertifikate arbeite man an »Verifiable Claims«. Das können Universitäten oder andere Autoritäten sein, aber auch Individuen, die die Angaben bestätigen. Es seien die Plattformen, die festlegen, welche Zertifikate gültig sein sollen.

Web 3.0 zeichnet sich durch die Schwarmintelligenz aus, bei der ein größerer Freiheitsgrad in der Unabhängigkeit zur Bewertung des Einzelnen entsteht. Peer-to-Peer-Lernen, Peer-to-Peer-Plattformen, Peer-to-Peer-Verifizierungen und -Zertifizierungen ersetzen zentrale Instanzen wie Universitäten und Schulen. Ihnen gehöre die Zukunft, so Voshmgir. Lena Tietgen