Wenn der letzte Brief geschrieben ist

Das klassische Geschäft der Post schrumpft drastisch

  • Peter Leesmann, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Postkarte von Rügen, schriftliche Urlaubsgrüße aus dem Allgäu oder eine Auftragsbestätigung von einem Geschäftspartner per Post - für viele ist das alles Schnee von gestern. Wer heute Briefe schreibt oder eine Postkarte verschickt, gilt oft als altmodisch. Das Vordringen des Digitalen in alle Bereiche von Beruf und Freizeit lässt die Menschen immer weniger zu Kugelschreiber und Füller greifen. Das bekommt auch die Deutsche Post seit Jahren mit rückläufigen Sendungsmengen massiv zu spüren.

Zwar haben die Portoerhöhungen zwischen 2013 und 2016 die Einbußen erträglich gemacht, doch der klassische Brief gilt längst als Auslaufmodell. »Wir gehen weiterhin von einem Rückgang der Briefvolumina von zwei bis drei Prozent jährlich aus«, resümiert Konzernsprecher Alexander Edenhofer nüchtern.

Ein Blick zurück zeigt, dass die Post im klassischen Briefgeschäft seit vielen Jahren an Boden verliert. Im Geschäftsjahr 2006 wurden im Schnitt 70 Millionen Briefe pro Werktag zugestellt, zehn Jahre später waren es noch 59 Millionen. Die reine Briefkommunikation schrumpfte 2016 bei den Sendungsmengen um 3,5 Prozent auf 8,2 Milliarden Stück, bei der Werbe- und Infopost, von der Post als Dialogmarketing bezeichnet, lagen die Einbußen ähnlich hoch.

Der Wandel kündigte sich bereits vor einigen Jahrzehnten an, als es Wissenschaftlern in den USA gelang, zwei weit auseinander- stehende Großrechner miteinander zu verbinden und Mails hin- und herzuschicken. Das war im Jahre 1969. Die Totengräber des Briefes waren geboren. Rund 30 Jahre später schlugen sie wuchtig zu und drängten den Klassiker des Postgeschäfts allmählich ins Abseits.

Dabei hat der Brief eine lange Tradition. Schon die alten Ägypter sollen im dritten Jahrtausend vor Christus beschriebene Papyrusrollen über den Nil auf die Reise geschickt haben. Da war es noch ein langer Weg bis zur Erfindung der Briefmarke im 19. Jahrhundert und zur Entwicklung eines Massengeschäfts.

Wie kaum ein anderes Instrument der Kommunikation unter Menschen hat sich der Brief über Jahrhunderte fortentwickelt und in alle Bereiche des Lebens eingefräst, in Politik, Literatur, Wirtschaft, Kultur: Die berühmten Briefe von Goethe an Charlotte von Stein, Rosa Luxemburgs Briefe aus dem Gefängnis oder auch der bewegende Abschiedsbrief des Schriftstellers Gabriel Garcia Marquez sind nur wenige Beispiele.

»Briefe haben die Macht, unser Leben zu erweitern. Sie enthüllen Motive und vertiefen das Verständnis«, schreibt der britische Journalist Simon Garfield in seinem 2015 erschienenen Buch »Briefe!« Es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für den Brief. Denn: »Eine Welt ohne Briefe wäre eine Welt ohne Sauerstoff.«

Noch atmet die Welt und auch Briefe werden weiterhin verschickt. Doch das Digitale ist nicht mehr aufzuhalten. Das hat auch die Post erkannt und mit solchen Produkten wie der E-Post, dem Messengerdienst »SIMSme« und dem online-betriebenen Paketgeschäft dem rückläufigen Brieftrend einen Kontrapunkt entgegengesetzt.

Während sich der Paketbereich längst als umsatzstarke Sparte etabliert hat, kommt der elektronische Zwillingsbruder des Briefes erst allmählich in Fahrt. Seit 2010 ist das Unternehmen mit E-Post am Start. Inzwischen erfreut sie sich vor allem unter Geschäftsleuten einer wachsender Beliebtheit. dpa/nd

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