Mr. Homo

Personalie

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach der Abstimmung knallten bei den Grünen zwar nicht die Korken, aber immerhin Konfettikanonen. Bundestagspräsident Norbert Lammert fand das ungehörig, doch wird es ihnen egal gewesen sein. Zu gut war der Anlass, nicht nur die »Ehe für alle« zu feiern - sondern auch den Abgeordneten Volker Beck aus dem Parlament zu verabschieden.

Für den 57-Jährigen, über dem das Gros der Schnipsel niederging, war der Beschluss eine Genugtuung. Auch wenn sich der Innen- und Rechtspolitiker nicht auf Schwulen- und Lesbenfragen reduzieren lässt, war er doch lange der »Mr. Homo« der deutschen Politik. 1992 wurde er mit einer Kampagne für die Öffnung der Ehe bekannt - als Wörter wie »schwul« oder »lesbisch« in Politik wie Gesellschaft noch zuverlässig für Gedruckse sorgten. Als er 1994 in den Bundestag einzog, hatte der den Paragrafen 175 gerade erst abgeschafft. Dass das alles so lange her scheint, ist Becks Verdienst. Auf sein Betreiben beschloss der Bundestag 2001 die »Eingetragene Lebenspartnerschaft« - als erster großer Schritt in diese Richtung vielleicht sogar wichtiger als das jetzige Gesetz.

Dennoch ist es für ihn ein besonderes Geschenk, dass die Eheöffnung nach ewigem Gewürge nun plötzlich so fix durchging. Der Beschluss rundet eine Karriere ab, die ansonsten etwas abrupt geendet hätte. Bekanntlich wollte Beck weitermachen - doch als er 2016 mit einer Partydroge in geringer Menge erwischt worden war, scheiterte seine Listenplatzbewerbung. Und als Direktmandatsgewinner sah sich der mitunter scharf und kühl wirkende Stuttgarter wohl selbst nicht.

Nun steht Beck vor der Frage, was nach dem Rampenlicht zu tun bleibt. Arbeit in Organisationen des vorparlamentarischen Raums, in dem Volker Beck bestens vernetzt ist? Eine Publizisten- und Kommentatorenrolle? Nimmt er sich die Zeit, sein Kunstgeschichtsstudium zu beenden, das er 1987 zugunsten der Politik abgebrochen hatte? Geäußert hat er sich dazu noch nicht. Doch dass man von Volker Beck gar nichts mehr hören wird, klingt unwahrscheinlich.

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