nd-aktuell.de / 04.07.2017 / Politik / Seite 7

Ross und Reiter auf dem Absprung

Kann sich Frankreichs Sozialistische Partei nach dem Wahldebakel neu erfinden?

Ralf Klingsieck, Paris

Nach ihrer vernichtenden Niederlage bei den Parlamentswahlen hat die Sozialistische Partei Schlagseite und droht zu sinken. Ein »Elephant«, wie die prominenten PS-Politiker intern genannt werden, nach dem anderen verlässt das Schiff, das dem Untergang geweiht scheint.

Vor einer Woche ist der ehemalige PS-Premierminister Manuel Valls aus der Partei ausgetreten, der er als Schüler beigetreten war und der er mehr als 40 Jahre angehört hatte. In der Nationalversammlung hat der Abgeordnete jetzt Gastrecht in der Fraktion En Marche. Nach dem Sprecher des rechten Flügels der Partei hat am vergangenen Sonnabend auch Benoit Hamon, der Sprecher des linken Flügels, diesen Schritt vollzogen. Der glücklose PS-Präsidentschaftskandidat hat seine eigene Bewegung gegründet und es seinen Anhängern freigestellt, ebenfalls die PS zu verlassen oder dort Parteimitglied zu bleiben. Auf einem Meeting mit 11 000 Teilnehmern betonte Hamon, er wolle nicht das Band zwischen seiner Bewegung und der PS zerschneiden. »Ich verlasse die Partei, aber nicht den Sozialismus und nicht die Sozialisten. Ich wende mich nicht von den sozialistischen Idealen ab, aber ich bin außerhalb der Partei nützlicher als in ihr.« Es gelte, sich auf die historischen Werte der Sozialisten zu besinnen und wieder auf diesen aufzubauen. Aber für eine gründliche Erneuerung der Linken sei der Name und das Rosen-Logo der PS »eher abschreckend«.

Hamons »Bewegung des 1. Juli« will in Kommunen, Departements und Regionen, aber auch in Betrieben und Universitäten eigene Grundorganisationen bilden und Ideen für eine ideologische Plattform sammeln. Für den Herbst ist der erste Nationalkongress geplant, der das Programm diskutieren und verabschieden soll und Kurs auf die Kommunalwahl 2020 nehmen soll.

Pathetisch hat Jean-Christophe Cambadélis, der nach dem Wahldebakel sein Amt als Parteivorsitzender niedergelegt hatte, am Wochenende per Twitter kundgetan: »Ich bin und ich bleibe in der Sozialistischen Partei.« Der Vorsitzende der Pariser PS-Föderation, Emmanuel Grégoire, schätzt ein: »Nachdem die Partei durch die Wahlniederlagen gründlich geschwächt wurde, sind diese Austritte das Eingeständnis, dass die persönlichen Strategien in die Sackgasse geführt haben. Sowohl Valls wie auch Hamon haben, um sich zu profilieren, ihre Positionen radikal auf die Spitze getrieben. Diese Konfrontationen sind wesentlich mitverantwortlich für den Niedergang der PS. Die Partei muss sich von Grund auf erneuern, sonst hat sie keine Daseinsberechtigung mehr.« Der ehemalige PS-Minister Stéphane Le Foll versucht zu relativieren: »Wie oft hat man schon den Tod der PS an die Wand gemalt, doch sie hat sich immer wieder gefangen. Zweifellos ist die Partei heute in einem sehr schlechten Zustand, aber es gibt eine Grundsubstanz, aus der heraus man wieder aufbauen kann und muss.«

Doch nicht nur enorm viele Anhänger und Wähler sind der PS verloren gegangen, auch viele Parteimitglieder haben ihre Karte nicht erneuert und PS-Politiker aller Ebenen sind in den vergangenen Wochen und Monaten zu Macrons Bewegung En marche gewechselt. Für die Sozialistische Partei ist es dringend geboten, eine Bestandsaufnahme zu machen und zu überlegen, in welche Richtung es weitergehen soll. Für den 8. Juli ist eine Sitzung des Nationalrates, des »Parteiparlaments«, anberaumt, um die von Cambadélis vorgeschlagene kollektive Leitung zu konstituieren und ein Aktionsprogramm für die nächsten Monate zu diskutieren und zu beschließen. Dazu gehören nicht zuletzt ganz handfeste Überlegungen. So sind durch den Absturz von bisher 284 Abgeordneten in der Nationalversammlung auf nur noch 31 auch die Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung zusammengeschmolzen, so dass Mitarbeiter der Partei entlassen und drastisch Kosten eingespart werden müssen. Es wird sogar erwogen, den historischen Sitz der Partei in der Rue Solferino zu verkaufen. »Für die Restpartei ist das Haus sowieso zu groß«, konstatiert bitter einer, der bisher hier gearbeitet hat.