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Becker-Hecht in die Pleite

Auch die Gesellschaft trägt eine Verantwortung für den tiefen Fall des einstigen Sportidols, meint Bernd Zeller

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

Unser heutiger Bericht befasst sich mit der gemeinhin als Pleite bezeichneten Zahlungsunfähigkeit des ehemaligen Stars und immer noch Prominenten Boris Becker. Nun meinen manche, dieses Thema sei von nachgeordneter Wichtigkeit, die größere Pleite erlebe die SPD mit Martin Schulz. Aber es sind wir, von denen unsere Prominenten zu dem gemacht wurden, was sie sind beziehungsweise nicht mehr.

Der aus Sicht von Boris Becker wichtigste Deutsche ist, wie er dem damaligen Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« im Interview verriet, Boris Becker. Das mag sogar gestimmt haben, denn damals war er die Titelstory. Das wäre inzwischen wieder denkbar, denn die Verläufe des »Spiegels« und Boris Beckers scheinen verknüpft zu sein, wobei der »Spiegel« noch nicht zahlungsunfähig ist und noch immer über stattliche Umsätze verfügt, aber möglicherweise wie Boris Becker zu viel Geld ausgibt, und keiner weiß so richtig, wofür. Eine andere Frage ist: Warum? Dies ist zu beantworten. Das ist heute nun einmal so, man muss durch Geldausgeben Bonität demonstrieren. Das macht auch der Herr Finanzminister so, wir sind ein reiches Land, weil die Staatsausgaben sprudeln. Was ist die Gründung einer Bank gegen die Rettung einer Bank; da denken alle, der hat Geld. Boris Becker in der zweiten Klasse im Zug, damit würde er sich so unmöglich machen, dass seine Pleite nicht einmal mehr eine Meldung wert wäre.

Der gerade anlaufende Wahlkampf wäre eine Gelegenheit, Boris Becker zu retten. Das heißt nicht, dass er wirklich Geld kriegen soll, seine Rettung müsste nur thematisiert werden, damit sich die Parteien in eine sachliche Auseinandersetzung begeben können und ihr Profil an einer Frage von allgemeinem Interesse schärfen, wobei das Interesse sich auf die staatliche Rettung bezöge und nicht auf Boris Becker, aber damit könnte er mittlerweile umgehen. Da er nicht mehr reich ist, könnte er der Kampagne für ein solidarisches Grundeinkommen ein Gesicht geben, die FDP könnte ihn als Beispiel für die verheerenden Folgen zu hoher Steuern anführen. Und aus Sicht der Grünen ist er das fleischgewordene Argument für vegane Ernährung – hätte er sich nur pflanzlich ernährt, hätte er nicht Wimbledon gewonnen, wäre nicht ins Sportbusiness geraten, hätte etwas Solides gelernt und wäre jetzt gefragte Fachkraft, obwohl die Schule inzwischen dank grünen Einwirkens auch nicht mehr garantiert, mit Bildung in Berührung zu kommen. Jetzt ist es jedoch zu spät für eine Ausbildung, er ist sogar zu alt, um beim Eurovision Song Contest anzutreten. Die kaum mehr existente Piratenpartei könnte seinen AOL-Werbespot wiederverwerten als Wahlwerbung. Nur die SPD würde um das Thema Boris Becker einen Bogen machen, nicht weil sie es verschläft, sondern damit er nicht als neuer Hoffnungsträger der Partei erscheint, der noch schnell deren Vorsitzender und Kanzlerkandidat werden soll.

Doch wir wollen die gesellschaftliche Verantwortung an der Beckerpleite nicht abstreiten. Wir waren es, die ihn in dem Glauben ließen, er tue etwas Wichtiges oder sei jemand Bedeutsames. Das muss auch so sein, nur so kann man ein Turnier gewinnen, und das war schließlich von ihm gewollt. Es ist nur so, dass die Leute, die das Geld erarbeiten, das er bekommt, noch wichtiger sind, aber erst in der Menge, weshalb Boris Becker den Eindruck gewinnen musste, er wäre etwa als Fluggast wichtiger als der Pilot oder die Stewardess oder die anderen Passagiere zusammen. Auch hier zeigt sich eine Parallele zu, nur als Beispiel, dem »Spiegel«, wo man ebenfalls davon ausgeht, wichtiger zu sein als alle Leser zusammen, denn, so lautete ein Werbespruch, »Spiegel«-Leser wissen mehr. Noch mehr wissen allerdings die »Spiegel«-Journalisten, denen folgerichtig eine führende Rolle beim Verständnis des Geschehens zukommt, aus ihrer Sicht. Demgegenüber ist Boris Becker immer recht bodenständig geblieben.

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