nd-aktuell.de / 07.07.2017 / Brandenburg / Seite 12

Duales Studium wird als zweischneidiges Schwert gesehen

Das Handwerk fordert: Die Meisterausbildung müsste genauso kostenlos sein wie der Besuch einer Hochschule

Wilfried Neiße

Brandenburgs Handwerk hat am Donnerstag bei einem Treffen in der Potsdamer Staatskanzlei von der Regierung gefordert, die Meisterausbildung der akademischen insofern gleichzustellen, als sie genauso kostenlos sein sollte wie ein Studium.

»Während ein Student für sein Studium nichts zu bezahlen braucht, ist die Meisterausbildung mit hohen Kosten verbunden«, sagte der Präsident des Handwerkskammertages Robert Wüst nach einem Spitzengespräch mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Hier erwarte das Handwerk die Unterstützung der Politik, um eine Gleichstellung zu erreichen. In den kommenden zehn Jahren würden rund 9000 Handwerksbetriebe einen Nachfolger benötigen, weil der Chef in den Ruhestand geht. Die vor einigen Jahren eingeführte Meistergründungsprämie sei eine wichtige Hilfe, bestätigte Wüst. Doch reiche das nicht aus. Man benötige »schnell greifende Instrumente«.

Thema der Zusammenkunft war unter anderem das »duale Studium«, das heißt die Kombination von Studium und Berufsausbildung, wie sie immer mehr um sich greift. Hat es vor 2010 Jahren gerade einmal drei duale Studiengänge gegeben, »so sind es heute 29«, sagte Woidke. Und drei weitere seien in Vorbereitung. Damit sehe er eine gute Chance, die in Brandenburg typischen kleinen und mittleren Unternehmen an wissenschaftliche Spitzenleistungen heranzuführen. Entweder es gelinge, das Fachkräfteproblem zu lösen, dann kann Brandenburg wirtschaftlich weiter punkten. »Wenn nicht, wird es in die andere Richtung gehen.«

Als Schlussfolgerung aus dem Debakel beim Matheabitur soll es ab dem kommenden Schuljahr pro Woche wieder fünf Unterrichtsstunden in Mathematik geben, sagte Woidke. Die eine Stunde komme hinzu, es falle also nichts anderes weg. In der Berufswerbung und Berufsorientierung »müssen wir noch besser werden«, unterstrich Woidke.

Beate Fernagel, Präsidentin der IHK Potsdam, forderte die rot-rote Regierung auf, sich für ein deutschlandweit einheitliches Abitur einzusetzen. Der Ministerpräsident versicherte, die ostdeutschen Bundesländer stünden dem Gedanken aufgeschlossen gegenüber. »Es gibt aber Bundesländer im Westen, die das sehr kritisch sehen.«

In Brandenburg vermittelt die Agentur duales Studium die speziellen Studiengänge. Beraterin Franziska Kuhl nennt als Ziel: »Qualifizierte Fachkräfte in der Region zu halten.« Auf diese Weise seien junge Menschen eng in die Betriebsprozesse vor allem im Management eingebunden. Entstanden sei die Idee der Kombination von Lehre und Studium in den 1970er Jahren in Baden-Württemberg. Auch Brandenburg habe sich angeschlossen. Angebote unterbreiten etwa die Technische Hochschule Wildau und die Technische Universität Cottbus-Senftenberg. Neuerdings kann der Beruf des Maurers, Zimmermanns, Betonbauers und Dachdeckers erlernt und gleichzeitig Bauingenieurswesen studiert werden. In 4,5 Jahren kommt man so zum Gesellenbrief und zum Bachelor of Engineering. Laut Handwerkskammer Cottbus zeigen einige südbrandenburgische Baubetriebe großes Interesse und wollen das duale Studium für die Fachkräfteentwicklung nutzen.

Es gibt aber auch Bedenken. In kleinen Unternehmen geht die Angst um, dass die delegierten Lehrlinge als Hochschulabsolventen nicht zurückkehren oder nicht dauerhaft im Betrieb bleiben. Franziska Kuhl ist sich der Probleme bewusst: »Fachkräfte sind rar, die vorhandenen hart umkämpft.« Sie im Unternehmen zu halten, sei nicht leicht, der Erfolg verstehe sich auch nicht von selbst. Hier stehe das Unternehmen in der Pflicht. Es habe einige Jahre Zeit, dem künftigen Absolventen zu zeigen, dass die Arbeit sich lohnt, und es habe Zeit, ihn von den Aufstiegschancen zu überzeugen.

Beim Tauziehen um Fachkräfte ist der Mittelstand in den vergangenen Jahren immer stärker in eine Nachteilsposition geraten. Im ersten Quartal ist die Zahl der offenen Stellen auf 1,066 Millionen gestiegen und hat damit einen neuen Höchststand erreicht. Das geht aus Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) hervor, die auf einer repräsentativen Befragung von 8000 Unternehmen beruhen. »Die Kräfteverhältnisse am Arbeitsmarkt haben sich in den vergangenen Jahren komplett gewandelt«, sagt Alexander Kubis vom IAB. Während gerade qualifizierte Arbeiter deshalb mit steigenden Gehältern rechnen dürften, müssten Arbeitgeber zunehmend viel Geld in die Weiterbildung ihrer Belegschaft, von Arbeitslosen und Flüchtlingen investieren, um ihren Personalbedarf noch decken zu können.

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