nd-aktuell.de / 10.07.2017 / Politik / Seite 8

Krieg gegen Konzerte in Odessa

Rechtsradikale machen mit Drohungen und Gewalt Front gegen »antiukrainische Künstler«

Denis Trubetskoy, Kiew

Im südukrainischen Odessa versuchen Rechtsradikale ständig, Konzerte von »antiukrainischen Künstlern« zu verhindern. Mit Erfolg. Das macht die Situation in der Region noch angespannter.

Nach Charkiw gehört das südukrainische Odessa, das historisch stark russischsprachig geprägt ist, in die Reihe ukrainischer Großstädte, die am kritischsten auf die politische Linie der Kiewer Regierung schauen. Allerdings ist Odessa mit seiner Million Einwohner - ähnlich wie Charkiw - innerlich scharf getrennt. Auf der einen Seite finden sich die stark pro-ukrainische und patriotische Zivilgesellschaft sowie Anhänger der rechten Kräfte, die überraschenderweise für ähnliche Inhalte stehen. Auf der anderen Seite steht der große Rest der Bevölkerung, die »normalen Menschen«, die meist gegenüber Kiew sehr kritisch eingestellt sind.

Doch anders als in Charkiw, wo die beiden Bevölkerungsgruppen nur wenig miteinander zu tun haben, ist es in Odessa oft unruhig. Der klassische Grund für die Unruhen ist jedoch ungewöhnlich: Pop-Konzerte. Zwar werden in der Ukraine seit dem Beginn der politischen Auseinandersetzungen im Winter 2014 generell politische Aussagen der Musiker sowie Auftritte in Russland aufmerksam verfolgt. Aber gerade in Odessa werden Konzerte mit radikalen Drohungen verhindert. Meist geht es um ukrainische Künstler, die in Russland touren, sowie um Russen, die sich entweder politisch missliebig äußerten oder auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim auftraten.

So sollte am 28. Mai die ukrainische Pop-Sängerin Swetlana Loboda im Luxus-Club »Ibiza« auftreten. Doch sammelten sich rund 50 rechte Aktivisten vor dem Konzert in der Nähe des Clubs. Sie hatten Pyrotechnik und Tränengas bei sich. Die Polizei versuchte, Störungen zu verhindern. Das gelang größtenteils. Allerdings erreichten sie gleich drei Meldungen über Sprengladungen im Gebäude. So musste das Konzert letztlich doch abgesagt werden. Ob die Anrufe ebenfalls aus dem rechten Lager kamen, ist zwar nicht zu beweisen, gilt aber als sehr wahrscheinlich. Ein noch größerer Skandal begleitete den Auftritt des russischen Rappers Basta, mit bürgerlichem Namen Wassili Wakulenko. Eigentlich durfte Wakulenko, der seit 2014 zweimal auf der Krim auftrat, laut ukrainischer Gesetzgebung überhaupt nicht in die Ukraine einreisen. Der Musiker schaffte es allerdings nicht nur durch die Passkontrolle, er gab auch ein erfolgreiches Konzert in Kiew.

Doch am nächsten Tag in Odessa war Schluss mit der Ukraine-Tournee von Basta: Diesmal nahmen die Besitzer des Clubs »Ibiza« die Vorwarnungen der Rechten ernst - sie sagten den Auftritt bereits im Voraus ab. Allerdings spielte dabei auch die Polizei eine große Rolle. Sie betonte, die Sicherheit des Konzerts könne von ihr nicht garantiert werden.

Der Mann, der hinter dieser Reihe der Konzertabsagen steht, heißt Serhij Sternenko. Der Jurist war früher Chef des Rechten Sektors in Odessa, nun vereinen sich hinter seinem Rücken zahlreiche nationalistische Organisationen im Kampf für das »neue« Odessa.

»Auftritte der ukrainefeindlichen Künstler zu verhindern ist eine Ehrensache für mich«, sagt Sternenko selbst. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern hat er eine »schwarze Liste« jener Musiker aufgestellt, deren Auftritte in Odessa verhindert werden sollen. Mittlerweile stehen auf dieser Liste zehn Konzerte, das von Basta inklusive, darunter vier Auftritte ukrainischer Künstler. Es ist zu erwarten, dass all diese Auftritte früher oder später abgesagt werden.

»Lieber Serhij Sternenko und andere, es ist an der Zeit, das öffentlich zu besprechen. Werdet ihr etwas gegen den Auftritt der Band Mumij Troll haben?«, fragte Artem Wosnjuk, Konzertveranstalter aus Odessa, neulich die rechten Aktivisten auf Facebook. Er hat unter anderem das abgesagte Konzert von Swetlana Loboda organisiert. »Da Mumij Troll unseren Informationen nach die Gesetze der Ukraine nicht verletzte, dürfen sie ja auftreten«, schrieb Sternenko zurück. Allein die Existenz dieses etwas satirischen Dialogs zeigt, wie schwierig die gesellschaftliche Situation in Odessa gerade ist.

Dass weder die Stadtverwaltung noch der Gouverneur des Bezirks sich in die Angelegenheit einmischen, ärgert einen Teil der Bevölkerung. Die Lokalmacht in Odessa liegt zumeist in den Händen der Partei des Präsidenten Petro Poroschenko. Sie möchte ihre Beziehungen mit den rechten Kräften nicht weiter beschädigen. »Dadurch verlieren Poroschenko und seine Partei nach dem Rücktritt des Gouverneurs Michail Saakaschwili weiterhin an Beliebtheit«, schätzt der lokale Journalist Andrij Ostapenko ein. »Es ist auf alle Fälle eine gefährliche Situation, deren Folgen unüberschaubar sind.«