nd-aktuell.de / 11.07.2017 / Politik / Seite 8

May sucht Brexit-Hilfe

Britische Premierministerin ein Jahr Tory-Chefin

London. In einer am Montag in Auszügen veröffentlichten Rede fordert die konservative britische Regierungschefin die anderen Parteien im Unterhaus auf, »Ideen und Ansichten« beizusteuern, »wie wir diese Herausforderungen als Land bewältigen können«. Zugleich erkannte Theresa May in ihrer für Dienstag geplanten Rede ihre geschwächte Position an. »Die Realität, mit der ich es jetzt als Premierministerin zu tun habe, ist sehr verschieden« von der zum Zeitpunkt ihres Amtsantritts.

Am Dienstag vor einem Jahr war May an die Spitze der regierenden Tories gewählt worden. Sie wurde Nachfolgerin von Premierminister David Cameron, der nach dem Votum der Briten für einen Ausstieg aus der EU zurückgetreten war. Damals regierten die Tories mit absoluter Mehrheit.Um sich größtmöglichen Rückhalt für die Brexit-Verhandlungen zu sichern, hatte May für den 8. Juni vorgezogene Wahlen angesetzt - und eine Niederlage erlitten. May steht nun an der Spitze einer Minderheitsregierung und ist auf die Unterstützung der nordirischen DUP angewiesen.

Seither gibt es immer wieder Berichte über Rücktrittsforderungen in den eigenen Reihen. Nach einem Bericht der »Mail on Sunday« sagte der einflussreiche Tory-Abgeordnete Andrew Mitchell bei einem privaten Treffen, May habe »keine Chance« mehr und müsse gehen.

Bei den Verhandlungen mit Brüssel verfolgte May bisher eine harte Linie, die dazu führen könnte, dass Großbritannien die EU notfalls ohne Abkommen verlassen wird. Doch mehren sich die Stimmen auch in ihrer eigenen Partei, die eine weiterhin enge Anbindung an die EU befürworten, um den Schaden für die britische Wirtschaft so gering wie möglich zu halten.

Am Montag bildete sich eine parteiübergreifende Fraktion, die für den Erhalt der »engstmöglichen Beziehung« zur EU eintritt. Den gemeinsamen Vorsitz haben der Labour-Abgeordnete Chuka Umunna und die konservative Ex-Ministerin Anna Soubry, beide vehemente EU-Befürworter.

Bereits vor der nächsten Runde der Brexit-Verhandlungen droht das Europaparlament mit einem Veto, falls Großbritannien sein Angebot für Bleiberechte der EU-Bürger im Land nicht nachbessert. Notfalls werde man die Zustimmung zum Austrittsabkommen verweigern, heißt es in einem in mehreren Medien veröffentlichten Brief der wichtigsten Fraktionsvorsitzenden.

In einer Stellungnahme an EU-Chefunterhändler Michel Barnier, die am Montag bekannt wurde, zerpflückt die sogenannte Steuerungsgruppe des Parlaments das Verhandlungsangebot aus London von Ende Juni. Premierministerin Theresa May hatte allen 3,2 Millionen EU-Bürgern in Großbritannien die Möglichkeit eingeräumt, sich um ein Bleiberecht zu bewerben.

Die Europaparlamentarier kritisieren, Großbritannien wolle die Rechte der EU-Bürger nach dem für 2019 geplanten EU-Austritt nicht vollständig garantieren. Dies missachte das Prinzip, EU-Bürger in Großbritannien mit gleichen Rechten auszustatten wie rund 1,2 Millionen Briten in der EU. Es drohe ihnen ein »Status zweiter Klasse«. Agenturen/nd