nd-aktuell.de / 12.07.2017 / Politik / Seite 7

Der Jüngste soll es richten

Neuer Arbeitspartei-Chef ohne politische Erfahrung

Die neue Hoffnung der israelischen Arbeitspartei war den meisten Israelis bis vor Kurzem noch völlig unbekannt: Der neue Parteivorsitzende Avi Gabbay, 50, verheiratet, drei Kinder, war erst im Dezember in die sozialdemokratische Partei eingetreten; für seinen Aufstieg vom einfachen Parteimitglied zum Parteivorsitzenden war eine sorgsam orchestrierte Kampagne verantwortlich, an deren Ende der Posten des Regierungschefs stehen soll.

Politische Erfahrung hat Gabbay indes nur recht wenig, und auch in der Sozialdemokratie hatten die, die ihn schon länger kennen, ihn bislang nicht verortet: In Gewerkschafts- und Investorenkreisen erlangte er eine gewisse Bekanntheit, nachdem er 2006 Geschäftsführer des Telekommunikationskonzern Bezeq geworden war, und das Unternehmen mit mehreren Kündigungswellen auf Börsenkurs trimmte.

Vor der Parlamentswahl 2015 gründete er dann zusammen mit dem einstigen Telekommunikationsminister Mosche Kahlon »Kulanu«, eine konservative Partei, die auf Anhieb zehn Sitze erlangte und an der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu beteiligt ist. Gabbay verpasste den Parlamentseinzug, wurde aber Umweltminister; als seine Haupterrungenschaften gelten die Kostenpflicht für Plastiktüten und mehrere Umweltprojekte in der Region Haifa. Nach der Ernennung von Avigdor Lieberman zum Verteidigungsminister trat er zurück und warf Netanjahu und Kahlon vor, rechtsextreme Politik zu stützen.

Seine Kritiker bezeichnen ihn als »machthungrig«, als »kaltherzigen Manager«, der Hunderten den Job genommen hat, und als jemanden, der die Arbeitspartei als Instrument für den Aufstieg an die Macht benutzt.

Doch ausgerechnet der Gewerkschaftsdachverband Histadruth und der Bezeq-Betriebsrat zeichnen ein anderes Bild: Man habe auch zu seiner Bezeq-Zeit stets gespürt, dass seine Kindheit in großer Armut Spuren hinterlassen hat, heißt es beim Betriebsrat: Gabbay wurde 1967 als Sohn marokkanischer Einwanderer in einem Transitcamp in Jerusalem geboren, wuchs mit sieben Geschwistern auf. So sorgte Gabbay dafür, dass die gekündigten Mitarbeiter großzügige Abfindungen erhielten, und er gab dem Betriebsrat sehr umfangreiche Mitspracherechte. Oliver Eberhardt