Werbung

Verträge zur 24-Stunden-Betreuung sind oft intransparent - was also tun?

Tipps der Verbraucherzentrale Brandenburg

  • Lesedauer: 5 Min.

»Die Hälfte der Vermittler bot überhaupt keinen schriftlichen Vertrag an. Verbrauchern fehlt so der Nachweis über die mit der Vermittlungsagentur vereinbarten Leistungen und Kosten«, so Dunja Neukamp von der Verbraucherzentrale Brandenburg (vzb). Das wirkt sich zum Nachteil der Verbraucher aus.

Die Verträge nach Zusatzkosten durchforsten

Außerdem sind die Gesamtkosten für die Betreuungskraft häufig nicht klar geregelt. »Neben den eigentlichen Betreuungskosten finden sich an anderen Stellen im Vertrag oft noch Entgelte für Heimfahrten, Kost und Logis sowie die Telefon- und Internetnutzung durch die Betreuungskraft«, erläutert Neukamp. Verbraucher müssten die Verträge daher erst auf zusätzliche Kosten durchforsten, um ihre monatliche Gesamtbelastung zu errechnen.

Schwierig ist es für Verbraucher auch zu erkennen, ob die Betreuungskraft nach geltendem Recht beschäftigt ist. »Zwar werben viele Anbieter damit, dass die vermittelten Betreuer legal arbeiten«, erklärt die Verbraucherschützerin. »Letztlich verpflichtete sich jedoch kein Betreuungsanbieter der Stichprobe vertraglich dazu, den Sozialversicherungsnachweis der Betreuungskraft, das sogenannte A1-Formular, auch vorzulegen. Dieses von den Behörden im Entsendeland ausgestellte Formular ist für Verbraucher allerdings die einzige Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Arbeitsverhältnisses zu überprüfen«, so Neukamp.

Besonders auffällig ist auch, dass viele Verträge nach dem Tod des Verbrauchers noch eine Woche oder länger weiterlaufen sollen. Obwohl keine Betreuungsleistungen mehr erbracht werden, fallen so einige Hundert Euro zusätzlich an.

Tipps für die Verbraucher

1. Anbieter vergleichen: Rufen oder schreiben Sie mehrere Anbieter (Vermittlungsagenturen) an. Lassen Sie sich die Vertragsunterlagen zuschicken und vergleichen Sie die Angebote und Verträge.

2. Verträge genau prüfen

Nachfolgend sind dabei folgende Fragen zu beachten:

Welche Leistungen erbringt die Vermittlungsagentur und welche der Betreuungsanbieter? Wenn die Vermittlungsagentur grundsätzlich keinen schriftlichen Vertrag abschließt, fassen Sie die von der Vermittlungsagentur versprochenen Leistungen zusammen und schicken Sie diese an die Agentur. Lassen Sie sich Ihre Auflistung schriftlich bestätigen und zurückschicken.

Welche Kosten kommen insgesamt auf Sie zu? Fragen Sie gegebenenfalls nach und halten Sie auch die nicht schriftlich ausgewiesenen Kosten für Ihre Unterlagen fest.

Was passiert, wenn der Betreuungsbedarf sich erhöht?

Finden sich die versprochenen Sprachkenntnisse im Vertrag wieder?

Ist im Vermittlungsvertrag eine Telefonnummer für Beschwerden angegeben?

Findet sich im Betreuungsvertrag ein Anspruch auf Unterbrechung des Vertrages für den Fall, dass Sie beispielsweise ins Krankenhaus müssen?

Wie schnell wird eine Ersatzkraft bei Ihnen sein, wenn die Betreuungskraft selbst ausfällt?

Wie schnell können Sie den Vertrag wieder kündigen? Achten Sie darauf, dass diese Frist möglichst kurz ist, beispielsweise eine Woche.

Mit welcher Frist kann der Unternehmer den Vertrag kündigen? Diese Frist sollte möglichst lang sein.

Wird eine Vertragsstrafe vereinbart und wenn ja, für welchen Fall?

Wie schnell endet der Vertrag nach dem Tod?

3. Rechtliche Absicherung

Lassen Sie sich das A1-Formular unbedingt im Original zeigen und heften Sie eine Kopie in Ihren Unterlagen ab. Die Betreuungskräfte sind verpflichtet, den Nachweis über ihre Sozialversicherung im Heimatland mitzubringen.

4. Widerrufsrecht kennen

Wenn Sie die Verträge für die 24-Stunden-Betreuung während eines Besuchs des Vermittlers bei sich zu Hause unterschreiben, handelt es sich um sogenannte Außergeschäftsraumverträge. Wenn Sie die gesamten Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss über das Telefon, per E-Mail oder schriftlich abgewickelt haben, handelt es sich um Fernabsatzverträge. In beiden Fällen steht Ihnen per Gesetz ein Widerrufsrecht zu.

Sind Sie über dieses Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß informiert worden, können Sie noch ein Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss widerrufen.

Haben Sie widerrufen, müssen die Anbieter Ihnen das schon gezahlte Geld innerhalb von 14 Tagen zurückzahlen. Wertersatz für die empfangenen Betreuungsleistungen haben Sie zu leisten, wenn Sie ausdrücklich vom Anbieter verlangt haben, dass er mit der Dienstleistung schon vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen soll.

5. Haftungsregeln verstehen

Im Schadenfall gilt grundsätzlich Folgendes: Egal was hierzu im Vertrag steht - gehaftet wird immer für schuldhafte, also auch leicht fahrlässig verursachte Personenschäden.

Bei Sachschäden gilt dies auf jeden Fall bei vorsätzlich und grob fahrlässig verursachten Beschädigungen.

Das Betreuungsunternehmen haftet für die Handlungen der Betreuungskraft im Zusammenhang mit den vertraglich zugewiesenen Aufgaben (etwa Putzen, Waschen, Kochen).

Gegen den Vermittler bestehen in der Regel keine Ansprüche bei Beschädigungen durch die Betreuungskraft, wenn der Dienstleistungsvertrag mit dem Betreuungsunternehmen abgeschlossen wird.

Ob tatsächlich im Einzelfall ein Schaden zu ersetzen ist, kann letztlich nur anhand des konkreten Sachverhaltes beantwortet werden. Dies gilt beispielsweise auch, wenn die Betreuungskraft den überlassenen Pkw beschädigt. Eine Fahrzeugüberlassung sollte deshalb dringend vorab schon mit dem Kfz-Versicherer besprochen werden.

Das Betreuungsunternehmen sollte eine Betriebshaftpflichtversicherung für seine Mitarbeiter nachweisen und darlegen, in welchen Fällen die Versicherung eintritt. vzb/nd

Der ausführliche Bericht über den Marktcheck der drei Verbraucherzentralen Berlin, Brandenburg und Saarland und Tipps für Verbraucher kann auf der Webseite der Verbraucherzentrale unter www.verbraucherzentrale.de/marktchecks-pflegevertrag heruntergeladen werden.

Pflegebedürftige und Angehörige können über ihre Rechte und Pflichten aus ambulanten Pflegeverträgen aufgeklärt werden bei der Verbraucherzentrale Brandenburg unter der Hotline (0331) 98 22 99 88 (montags von 9 bis 13 Uhr, mittwochs von 14 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 12 Uhr).

Zusätzlich gibt es ein Informationsportal unter www.verbraucherzentrale-brandenburg.de/pflegevertraege zu rechtlichen Hintergründen und Handlungsempfehlungen rund um die ambulante Pflege.

Die drei genannten Verbraucherzentralen prüfen Pflegeverträge auf Rechtsverstöße. Verbraucher sind aufgerufen, Kopien ihrer Verträge mit ambulanten Pflegeanbietern per E-Mail an pflegevertraege@vzb.de oder postalisch an die Verbraucherzentrale Brandenburg (Babelsberger Str. 18, 14473 Potsdam) zu schicken.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal