nd-aktuell.de / 15.07.2017 / Sport / Seite 11

Spannung à la 007

Der erfolgsgewohnte Christopher Froome musste die erste schwere Niederlage bei der Tour einstecken

Tom Mustroph, Foix

»Der Morgen stirbt nie« lautet der Titel eines James Bond-Films, der vor 20 Jahren auch am Pyrenäenflughafen von Peyragudes gedreht wurde - jenem Ort, an dem Chris Froome am Donnerstag erstmals die demütigende Erfahrung machen musste, das Gelbe Trikot zu verlieren.

Die Rolle des Bösen - aus britischer Sicht - hatte dabei der Italiener Fabio Aru. Wie bereits an der Planche des Belles Filles attackierte der italienische Meister an der steilsten Stelle der Rampe, dieses Mal 500 Meter vor dem Ziel. Froome versuchte zu kontern, schickte erst seinen spanischen Adjudanten Mikel Landa vor, musste dann aber klein beigeben. »Ich hatte einen schwarzen Tag. Meine Beine konnten nicht mehr hergeben«, sagte er. Beine leer - man fühlte sich fast an Giovanni Trapattonis Was-erlauben-Struuunz-Tirade erinnert.

Zu Froomes Trauerstimmung trug noch bei, dass auch der Franzose Romain Bardet an ihm vorbeizog und den Etappensieg holte. Aru, Etappendritter, nahm dem Briten hingegen das gelbe Leibchen ab. Für Froome ein ganz bitterer Moment: Bisher hatte er, wenn er das »Maillot jaune« übernahm, es auch bis nach Paris getragen. 2013 war das so, da holte er das Gelbe Trikot auf der 8. Etappe, nach der ersten Bergetappe in den Pyrenäen. 2015 fiel ihm schon nach Etappe Nummer sieben, nach einem Sturz des Gelben Tony Martin, das Gelbe Trikot zu, das ihm niemand mehr nehmen konnte. 2016 war es wieder die erste Pyrenäenetappe, bei der Froome zuschlug, dieses Mal als Abfahrtskünstler.

2017 sah er aber schon an der Planche des Belles Filles schwach aus - hier hatte er 2012 als Edelhelfer von Bradley Wiggins seinen ersten Touretappensieg überhaupt geholt. Im Bergmassiv des Jura konnte er sich der Abfahrtsattacken von Bardet nur dank Kooperation aller Verfolger erwehren. Und am 007-Drehort Peyragudes wurde er ganz eindeutig geschlagen.

Dem Briten ging es da so wie seinem fiktionalen Landsmann Bond am Beginn des Films. Der fand sich in einem Hotelzimmer mit der Leiche einer Ex-Geliebten wieder, daneben eine frische Zeitung mit der Schlagzeile, die auch seinen Tod verkündet. Am Bett sitzt bereits der Profikiller, der die vorzeitige Nachricht in knallharte Realität verwandeln soll. Nun ja, Bond konnte sich des Profikillers erwehren. Der Film, in dem er Hauptheld ist, musste ja auch weitergehen. Im Szenario der Tour de France ist allerdings nicht Froome der Hauptheld; Protagonist ist die Große Schleife selbst. Und an dem Briten mit der Nummer 1 am Gesäß liegt es, ob er sich zurück in eine Protagonistenrolle bringen kann.

Die Lage für ihn ist nicht einfach. Sein Stolz gebietet es ihm, sofort zurückzuschlagen, bereits auf der hammerharten Etappe von Saint-Girons nach Foix die gewohnten Verhältnisse wiederherzustellen. Sein Kopf gebietet ihm aber, kühles Blut zu bewahren. Soll Arus Astana-Truppe doch Kräfte lassen bei der Verteidigung von Gelb. Soll Bardets Ag2R-Bergtruppe sich mit Astana verbeißen. Ihm, Froome, bleiben noch die Alpen und erst recht das Zeitfahren, um wieder ganz nach vorn zu kommen. Kopf oder Herz - was gewinnt die Oberhand?

Die letzte erfolgreiche Konterattacke der Tour de France unmittelbar nach einem Absturz gelang Floyd Landis 2006. An einem schwarzen Tag in den Alpen verlor er zunächst acht Minuten und machte tags darauf in einem Parforceritt siebeneinhalb Minuten wieder wett. Der Amerikaner ließ aber die - verbotenen - Testosteronpflaster zu lange auf der Haut: Es folgten eine positive Dopingprobe und später die Aberkennung des im Zeitfahren sicher gestellten Toursiegs. Ein schlechtes Omen. Bei Froome allerdings geht es nur um Sekunden, nicht Minuten. Und die Zeiten im Radsport haben sich ja auch geändert, wird immer wieder betont. Bond übrigens gewann seine Schlacht mit Minen und Raketen - im Radsport ebenfalls nicht erlaubt.