nd-aktuell.de / 17.07.2017 / Politik / Seite 4

Eine DDR-Oppositionelle, die immer rebelliert hat

Personalie

Andreas Fritsche

Der Begriff DDR-Oppositionelle trifft es nicht. Zwar gehörte Ruth Misselwitz in der DDR zur Opposition, konkret in Ostberlin zum Friedenskreis Pankow. Doch sie hörte nach dem Ende der DDR nie auf, gegen das Establishment in Politik und Kirche zu rebellieren. Sie ist also eine Oppositionelle und nicht bloß eine DDR-Oppositionelle, wie es etwa ihre einstige Mistreiterin Vera Lengsfeld gewesen ist, die als Bundestagsabgeordnete bei der CDU landete.

Nach 36 Jahren Pfarrdienst in der evangelischen Kirchengemeinde Alt-Pankow tritt Ruth Misselwitz in den Ruhestand. Am Sonntag sollte die 65-Jährige mit einem Festgottesdienst verabschiedet werden. Ihre schwersten Jahre im Amt seien die nach der Wende gewesen, als die Kirche in Ostdeutschland eine Austrittswelle erlebte, berichtet die Nachrichtenagentur epd. Gründe dafür seien der nunmehrige Einzug der Kirchensteuer durch das Finanzamt, der Militärseelsorgevertrag und der Religionsunterricht wieder in den Schulen gewesen. »Da haben viele gesagt«, zitiert epd die Theologin, »das ist jetzt keine kritische Kirche mehr, sondern eine konservative Staatskirche.«

Misselwitz steht dazu, dass sie weder das alte System behalten wollte noch den Anschluss an die BRD, dass ihr ein dritter Weg vorschwebte, eine echte Alternative zum Kapitalismus. Den Friedenskreis Pankow gibt es noch immer. Nach wie vor hat er sich dem vehementen Eintreten für Gewaltfreiheit in politischen Konflikten verschrieben, wie Misselwitz betont. Auf dem Programm standen 2017 schon Veranstaltungen wie eine Ideensammlung zur solidarischen Ökonomie.

Ruths Mann Hans, ein linker Sozialdemokrat, war 1990 Abgeordneter in der DDR-Volkskammer und Staatssekretär im Außenministerium. Von 1991 bis 1999 leitete Hans Misselwitz die brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung. Ruth und Hans waren 2014 Erstunterzeichnern der Erklärung »Christen brauchen keine Garnisonkirche«. Sie wandten sich so gegen den umstrittenen, von der Landeskirche geförderten Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche.