nd-aktuell.de / 18.07.2017 / Politik / Seite 13

Heißer Draht zur NPD

Hessische CDU-Politiker sollen in rechtslastiges Depeschengeflecht verstrickt sein

Hans-Gerd Öfinger

Dieser Tage sorgen Meldungen des Hessischen Rundfunks (HR) über einen direkten Draht von CDU-Funktionären im Landkreis Offenbach zu Internet-Portalen mit NPD- und AfD-nahen Inhalten für Aufsehen. Die Rede ist von Organen wie Hessen-Depesche, Sachsen-Depesche oder Bayern-Depesche, die auf ersten Blick seriöse regionale und überregionale Nachrichten verbreiten, bei genauerem Hinsehen jedoch reichlich Artikel mit inhaltlicher Nähe zu den Rechtsparteien AfD und NPD enthalten.

So jedenfalls sehen es selbst die Landesämter für Verfassungsschutz in Sachsen und Bayern. Sie haben nach eigenen Angaben in Ausgaben der Depeschen viele »Artikel mit rechtsextremen Inhalten« und regelmäßige Beiträge aus der Feder von NPD-Funktionären entdeckt. So habe sich etwa der ehemalige sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel über Deutsche als »Freiwild für kulturfremde Asylbetrüger« ausgelassen.

»Hier schreibt und denkt ein Umfeld aus CDU, FDP und AfD«, heißt es in der »Hessen-Depesche«, die sich selbst als »bürgerliches Medium« bezeichnet. Nach HR-Angaben engagieren sich sieben aktive CDU-Mitglieder aus dem Landkreis Offenbach im Depeschen-Medienverbund. Herausragende Persönlichkeit in diesem Geflecht und Geschäftsführerin des Verbunds ist offenbar Angela Prokoph-Schmitt aus der Gemeinde Mainhausen. Sie ist nach eigenen Angaben Doppelmitglied von CDU und CSU. Darüber hinaus seien ein CDU-Stadtverordneter aus Seligenstadt ebenso wie eine CDU-Mandatsträgerin aus Mainhausen als Geschäftsführer in Subunternehmen des Depeschengeflechts eingebunden. Die Pressesprecherin der CDU in Seligenstadt besitze Anteile an der Depeschen-Eigentümergesellschaft, so der HR.

Neben der Hessen-Depesche scheint auch der rechtslastige Webauftritt derfflinger.de ein wichtiges Betätigungsfeld für CDU-Mitglieder im Kreis Offenbach zu sein. Das nach einem Kriegsschiff der kaiserlichen Marine im 1. Weltkrieg benannte Nachrichtenportal wurde nach HR-Angaben vor kurzem hastig abgeschaltet, ist aber weiterhin als Domain offiziell registriert. Ein aktives CDU-Mitglied aus Mainhausen, das auch bei der Kommunalwahl 2016 auf der Liste der Christdemokraten vor Ort kandidierte, habe lange als Administrator von derfflinger.de fungiert, so der HR.

Die CDU-Führung nicht nur im Kreis Offenbach hält sich zu Hessen-Depesche und derfflinger.de bedeckt und möchte vor der nahenden Bundestagswahl offenbar alles aussitzen. Dies missfällt der Landtagsopposition. »Das Einzige, was der CDU Hessen dazu einfällt ist, dass sie nicht zuständig sei. Peinlich! Aufklärung nötig« twitterte der SPD-Abgeordnete Timon Gremmels. CDU-Landeschef und Ministerpräsident Volker Bouffier dürfe dazu nicht schweigen, so der Abgeordnete Hermann Schaus (LINKE). »Wir erwarten, dass die CDU Taten sprechen lässt, sich von den rechten Hetzern distanziert und sie aus ihrer Partei ausschließt.«

Die hessische CDU gilt seit Jahrzehnten in der Gesamtpartei als stramm rechter Landesverband und wurde von Führungsfiguren wie Alfred Dregger und Manfred Kanther geprägt. Deren politischer Ziehsohn war Roland Koch, der mit einer fremdenfeindlichen Kampagne 1999 überraschend die Wahl gewann und als Regierungschef von 1999 bis 2010 Vorreiter einer aggressiven konservativen und neoliberalen Politik war. Es verwundert nicht, dass prominente AfD-Mitglieder wie Spitzenkandidat Alexander Gauland, Martin Hohmann und Albrecht Glaser, die möglicherweise dem nächsten Bundestag angehören werden, in früheren Jahren in der Hessen-CDU steile Karrieren hingelegt haben. Die zu Jahresbeginn aus der CDU ausgetretene Frankfurter Bundestagsabgeordnete und Vertriebenenverbandsfunktionärin Erika Steinbach kennt Gauland und Glaser gut und will nach eigenen Angaben im Bundestagswahlkampf bei AfD-Veranstaltungen auftreten. Auch wenn Kochs Nachfolger Volker Bouffier als Chef einer schwarz-grünen Koalition in Hessen auf seine alten Tage um ein moderates, liberales und weltoffenes Image bemüht ist, dürften Abtrünnige wie Steinbach, Gauland oder Glaser lediglich die Spitze des Eisbergs in der Hessen-CDU darstellen.