nd-aktuell.de / 19.07.2017 / Ratgeber / Seite 24

Wie sicher sind deutsche Hochhäuser?

Brandschutz: Nach Feuerkatastrophe von London

Nach dem verheerenden Feuer in London gerät auch der deutsche Brandschutz in die Kritik. Brände in hohen Häusern sind besonders problematisch, weil die Feuerwehr nur schwer in die Nähe der Flammen kommt. Die wichtigsten Fragen & Antworten zur Brandschutzsituation in Deutschland.

Wer bestimmt. wie die Gebäude vor Feuer geschützt werden?

Die Bundesländer kümmern sich um den Brandschutz. Er ist Teil des Bauordnungsrechts und damit Ländersache. Weil häufig bundesweite Richtlinien umgesetzt werden, sind die Regeln in den Ländern relativ einheitlich. Es gibt aber auch Unterschiede, und manchmal zieht sich die Umsetzung hin, wie beispielsweise bei Rauchmeldern.

Wie ist es bei Hochhäusern?

Bei Gebäuden ab 22 Metern Höhe sind die Regeln ziemlich einheitlich, denn alle 16 Bundesländer orientieren sich an der »Muster-Hochhaus-Richtlinie«. Laut Bundesbauministerium sind die Standards hoch genug, um ein Feuer wie in London zu verhindern. Bei deren Einhaltung kann es nach menschlichem Ermessen zu einer derartigen Katastrophe nicht kommen.

Wie sehen die Regelungen bei Hochhäusern konkret aus?

In der »Muster-Hochhaus-Richtlinie« heißt es unter anderem, dass an den Außenwänden der Gebäude keine brennbaren Bau- oder Dämmstoffe verwendet werden dürfen oder dass sie zumindest mit nicht brennbaren Materialien umschlossen sein müssen. Früher waren die Regelungen um einiges großzügiger und wurden erst im Laufe der 1980er und 1990er Jahre verschärft.

Ist in Deutschlands Hochhäusern also alles sicher?

Ja, sagen Experten - aber nur, wenn tatsächlich alle neuen Regeln befolgt wurden. Allerdings gibt es natürlich auch ältere Gebäude. Auch bei Häusern, die niedriger als 22 Meter sind, gebe es Gefahren durch Dämmmaterialien. »Eine starke Wärmedämmung wird politisch sehr unterstützt, deswegen haben das jetzt alle«, sagte der Chef der Feuerwehr Frankfurt am Main, Reinhard Ries, in einem Zeitungsinterview. Dämmmaterial, das nicht brennt, sei aber teurer und deshalb nicht so beliebt. Der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) zufolge gab es in den vergangenen fünf Jahren mehr als 90 Brandfälle mit Wärmedämmung. Dabei seien elf Menschen ums Leben gekommen und 124 Menschen verletzt worden.

Welche Forderungen gibt es in Deutschland?

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, energetische Gebäudesanierung in Deutschland auf den Prüfstand stellen zu wollen. Nach Angaben des Eigentümerverbands Haus und Grund gibt es schon seit Längerem Hinweise, dass polystyrolhaltige Dämmungen im Brandfall extrem gefährlich sind. Der Verband verlangt, den Einsatz von Polystyrol zur Dämmung von Gebäudefassaden »sofort auszusetzen«.

Es müsse geprüft werden, wie der Zustand älterer Gebäude ist, verlangt die vfdb. Und bei den niedrigeren Häusern müssten brennbare Dämmungen zumindest so bearbeitet werden, dass sie keine Gefahr mehr darstellten. Nachholbedarf gebe es auch bei anderen Regeln: In älteren Hochhäusern fehlten häufig Sprinkleranlagen und Notrufeinrichtungen. dpa/nd