nd-aktuell.de / 22.07.2017 / Berlin / Seite 13

CSD evaluiert sich selbst

Studie betont Wirtschaftseffekt / 26,5 Millionen Euro Umsatz für Übernachtungsbranche

Jana Klein

Der Christopher Street Day (CSD) lockt jedes Jahr viele Zuschauer an seine Wegstrecke - auch am Samstag werden es wieder Hunderttausende sein. Wie viele, woher sie kommen und mit welcher Intention sie an der Parade teilhaben, das hat sich der Trägerverein in einer Studie nun genauer darstellen lassen. So kamen bei der Veranstaltung im Juli vergangenen Jahres 76.000 aktive Teilnehmende und 400.000 Zuschauer. Nicht nur deshalb hat sich der CSD längst zum Touristenmagneten und damit zum Wirtschaftsfaktor für die Hauptstadt gemausert - eine Feststellung, die bei demjenigen Teil der Bewegung, der das Politische betont, auf gemischte Reaktionen stößt.

Darum hat die Studie, neben den wirtschaftlichen Effekten für die Hauptstadt, auch das Image der Veranstaltung untersucht. 89 Prozent der Befragten stimmten zu, dass der CSD ein Symbol für Gleichstellung sei. Heterosexuelle Besucher nehmen die Veranstaltung jedoch leicht häufiger als anderen Gruppen nicht als politische Demonstration wahr. Einen massiven Unterschied gibt es zwischen Lesben im Alter von 31 und 40 Jahren gegenüber den 51- bis 60-Jährigen: Nur 10 Prozent der Jüngeren sehen die Parade als politische Demonstration gegenüber 100 Prozent bei den Älteren. Unklar bleibt, ob die Lesben in ihren Dreißigern damit eine Entpolitisierung begrüßen oder ablehnen. Beantworten konnte das auch der CSD-Verein auf Nachfrage nicht.

Gegenüber einer früheren Erhebung hat sich auch das Teilnehmerfeld, ob mitlaufend oder zuschauend, gewandelt: 42 Prozent bezeichneten sich als heterosexuell. 2010 outeten sich nur 28 Prozent der Befragten als Heteros, was der Verein als Zeichen gestiegener Akzeptanz wertet.

Ein Viertel der Teilnehmenden stammte nicht aus Berlin. Von dieser Gruppe wiederum war ein Viertel sogar aus dem Ausland angereist. 26,5 Millionen Euro lassen sich die Touristen laut Studie allein die Übernachtungen kosten. Jeder einzelne Besucher gibt während seines Aufenthaltes in der Hauptstadt 1343 Euro aus, insgesamt sind es 177 Millionen Euro. Dabei ist der CSD natürlich nur eine Station im Städtetrip nach Berlin.

Carsten Schatz, queerpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sagte, die Hervorhebung der Wirtschaftskraft des CSDs sei eine »zweischneidige Geschichte«. Denn: »Wir stecken bis zum Hals im Kapitalismus.« Wichtig sei das politische Anliegen, der Kampf um Rechte und Akzeptanz. Aber er kann die Motive nachvollziehen: Mit der Studie bringe der CSD-Verein ein weiteres Argument ins Spiel, damit sich das Land finanziell an der Veranstaltung beteiligt. Bisher organisieren ausschließlich Ehrenamtler das Event.

Maria Meisterernst, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft QueerGrün, begrüßte die Wandlung des Berliner CSD seit dem Krisenjahr 2014: »Inzwischen hat sich der CSD-Verein stark verändert, ist femininer geworden, vielfältiger und inklusiver.« Frank-Christian Hansel (AfD) bezeichnete den CSD-Verein unterdessen als »Vorfeldorganisation von Rot-Rot-Grün«. Das zeige das diesjährige Motto »Jede Stimme gegen Rechts«. Das Team des ehemaligen Organisationskreises des alternativen Kreuzberger CSDs wollten sich auf nd-Anfrage nicht zu der Studie äußern. In der Vergangenheit hatte er die Kommerzialisierung des Berliner CSD kritisiert, 2017 fiel die Queerparade ganz aus.