nd-aktuell.de / 24.07.2017 / Politik / Seite 8

Das Comeback des Galgenstricks

In Donald Trumps USA kommt es vermehrt zu Hasspropaganda mit dem Lynchsymbol

Reiner Oschmann

Erster Mittwoch im Juli, Beginn der Nachtschicht, nationale Münzprägeanstalt in Philadelphia, 1790-1800 Hauptstadt des Landes und der Ort, wo 1776 die Unabhängigkeitserklärung der USA angenommen wurde. Die Videoüberwachung in der »Münze« zeigt: Ein weißer Arbeiter geht mit einem Strick, fürs Versiegeln von Säcken mit neu geprägten Münzen bestimmt, an den verwaisten Arbeitsplatz eines schwarzen Kollegen. Er windet das Seil zur Schleife, versieht es mit einem laufenden Knoten und macht so aus einem Arbeitsmittel eine »noose«, einen Henkersstrick, in den USA das Symbol für Mord, Totschlag und Lynchjustiz.

Die Episode sorgte für Aufsehen, ward vom US-Finanzministerium bestätigt und sei, wie die »New York Times« schrieb, »das jüngste Beispiel einer Serie von Berichten in diesem Jahr, bei denen - besonders in der Bundeshauptstadt - Galgenschlingen platziert wurden. Die Zwischenfälle zeugen von der Wiederkehr des Henkersstricks als wirkmächtigem Ausdruck von Rassenhass.«

Öffentlich angebrachte Schlingen waren zuvor bereits an einer Mittelschule in Florida, einer High School in North Carolina und der University of Maryland bemerkt worden. Auch vor dem Hirshhorn Museum an Washingtons symbolträchtiger National Mall, in dem voriges Jahr eröffneten National Museum of African American History and Culture, an einer Grundschule sowie an der American University gab es solche Aktionen - alle in Washington. Im letztgenannten Fall waren gleich mehrere in Henkersschlingen aufgehängte Bananen samt Hassbotschaft genau an dem Tag entdeckt worden, da eine Schwarze ihr Amt als Präsidentin der studentischen Selbstverwaltung übernehmen sollte ...

Taylor Dumpson, erste afroamerikanische Präsidentin überhaupt an der American University, jener Einrichtung, an der John F. Kennedy kurz vor seiner Ermordung eine große friedenspolitische Rede hielt, machte deutlich, dass sie die Botschaft verstanden hatte: »Eine Galgenschlinge bedeutet Lynchen. Das ist das Erste, was mir durch den Kopf geht: dass dich jemand aufhängen will, dass jemand sterben soll. So was lässt einen frösteln.«

Das Comeback der »noose« als Mittel des öffentlichen Diskurses geht in Präsident Donald Trumps Amerika einher mit der Zunahme öffentlicher Hassmanifestationen durch Organisationen wie dem Ku Klux Klan. Der Geheimbund hat in den Monaten seit Trumps Amtsantritt seine Aktivitäten in mehreren Bundesstaaten verstärkt. Er war 1866 in Tennessee als »geselliger Club heimgekehrter Veteranen« nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865) von weißen Südstaatlern gegründet worden. Sie wollten sich nicht mit der Abschaffung der Sklaverei abfinden und begingen namentlich in den Südstaaten zahlreiche Lynchmorde. Vor allem nach 1880 wurde das Lynching, vielfach durch Aufhängen, skandalöser Regelfall. Christof Mauch und Rüdiger Wersich notieren in der jüngsten Ausgabe ihres »USA-Lexikons«, bis 1918 seien so mindestens 3500 Afroamerikaner, nicht selten vor johlendem Publikum, umgebracht worden. Der Hinrichtung des 17-jährigen Schwarzen Jesse Washington etwa, wegen Vergewaltigung und Ermordung einer Weißen angeklagt, wohnten im Juni 1916 in der texanischen Stadt Waco 15 000 Schaulustige beifällig bei.

Rechtsbeistandsvereine, die sich um das Aufdecken und Verfolgen von Hassverbrechen kümmern, sehen die Zunahme derartiger Delikte von der Brutalisierung der öffentlichen Kommunikation beflügelt, die im Vorjahr mit dem Präsidentschaftswahlkampf begann und nach dem Wahlergebnis weiter wuchs. Jack Shuler, Autor eines Buches über die Geschichte des Lynchens in den USA, antwortete der »New York Times« auf die Frage nach den Ursachen: »Ich glaube, wir erleben gerade den historischen Augenblick, in dem Menschen das Gefühl gewonnen haben, sie besäßen einen Freibrief, Hass auszuleben.«

Shuler hatte seine Vermutung noch vor dem millionenfach verbreiteten Video geäußert, in dem Trump als Catcher einen anderen Catcher, der auf seinem Kopf das Label von CNN trägt, »fertigmacht«. Donald Trump ist im Nebenerwerb 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.