nd-aktuell.de / 25.07.2017 / Kultur / Seite 16

»Immer nah dran sein«

Vor 80 Jahren starb die Fotografin Gerda Taro im Spanischen Bürgerkrieg

Martin Stolzenau

Am 25. Juli 1937 fuhr Gerda Taro mit dem Journalisten Ted Allen von Madrid aus an die Front von Brunete. Die Stadt selbst war am Vortag von Francos Truppen zurückerobert worden. Die beiden erlebten einen Luftangriff der deutschen Legion Condor, die die Stellungen der Republikaner bombardierte. Gerda Taro schoss pausenlos Fotos, verbrauchte alle Filmrollen, die sie bei sich trug. Während der Rückfahrt - Gerda Taro stand auf dem Trittbrett eines Lkw - kam es zu einem erneuten Angriff feindlicher Flugzeuge. Der Lkw-Fahrer versuchte durch Schlingerkurs, Treffern zu entgehen. Dabei verlor die Fotografin den Halt, stürzte ab und wurde von der Kette eines folgenden republikanischen Panzers überrollt. Schwer verletzt kam sie in ein Krankenhaus in El Escorial, wo sie am 26. Juli 1937 unter furchtbaren Schmerzen verstarb.

Gerda Taro, die eigentlich Gerta Pohorylle hieß, ist am 1. August 1910 in Stuttgart geboren worden. Ihr Vater war ein aus Ostgalizien eingewanderter jüdischer Kaufmann, der ihr umfangreiche Bildung ermöglichte. Sie hatte noch zwei jüngere Geschwister. Das kluge und überaus attraktiven Mädchen sprach bald Englisch, Französisch und Spanisch, spielte Tennis, begeisterte sich für Jazz und beschäftigte sich mit der Fotografie. Sie kleidete sich modern, trug die Haare kurz. Doch zwischen ihrem öffentlichen Auftreten und ihrem Zuhause klaffte ein Widerspruch. Der Grundsatz des Vaters, der später Opfer des Holocaust wurde, lautete: »Im Privatbereich ein Jude, in der Öffentlichkeit ein Bürger!«

1929 wechselte die Familie nach Leipzig, wo sich Gerda linken Gruppen anschloss, an Flugblattaktionen gegen die Nazis beteiligte und sich intensiver der Fotografie widmete, die sie als eine Waffe im Kampf gegen die Nazis ansah. Das trug ihr nach dem Machtantritt Hitlers die Verhaftung ein. Sie mimte das unschuldige Mädchen, kam nach zwei Wochen Haft frei und ging nach Paris. In der Seine-Metropole lebte das Wohlstandskind in Not, nahm Gelegenheitsarbeiten an und lernte den ungarischen Fotografen André Friedmann kennen, ebenfalls jüdischer Abstammung. Beide nahmen Pseudonyme an und lebten fortan als Paar von ihren Fotos. Nach dem Franco-Putsch in Spanien unterstützten sie die republikanische Seite, dokumentierten Verbrechen und Kriegsgräuel. Die Fotos von Robert Capa, ihrem Partner, und Gerda Taro wurden weltweit veröffentlicht, viele ihrer Bilder allerdings auch unter seinem Namen.

Gerda Taros Motto »Immer nah dran sein« wurde ihr zum Verhängnis. Ihr Leichnam wurde nach Paris überführt und am 1. August 1937 auf dem berühmten Friedhof von Père Lachaise beigesetzt. Der Trauerzug, der von Pablo Neruda sowie Louis Aragon angeführt wurde, umfasste Tausende und gedieh zu einer Protestdemonstration gegen den Faschismus. Kurz danach erschienen ihre Fotos von der »Brunete-Front« im amerikanischen »Life«-Magazin mit einem Bericht über die »erste Kriegsfotografin«.

Seit 1970 erinnert an sie in Leipzig eine Tarostraße. 2008 tauchte in Mexiko ein Koffer mit ihren Negativen aufgefunden. Die Fotos wurden inzwischen in New York, Bilbao, Yokohama, Paris, Stuttgart und Leipzig gezeigt.